Besuch in Polen: Was ist Heimat?

27.4.2014

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Präses Rekowski auf der Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen (Foto: http://www.luteranie.pl) Knapp drei Tage lang habe ich gemeinsam mit Oberkirchenrätin Barbara Rudolph die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen besucht und an der Tagung der Synode teilgenommen. Der ...

Knapp drei Tage lang habe ich gemeinsam mit Oberkirchenrätin Barbara Rudolph die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen besucht und an der Tagung der Synode teilgenommen. Der erste Besuch der Synode einer Partnerkirche in meiner Amtszeit führte mich in das Land, in dem ich 1958 geboren wurde.

Ich bin als Gast in ein Land zurückgekehrt, das meine Familie 1963 für immer verlassen hat, um in die Bundesrepublik auszusiedeln. Ich bin nun für einige Tage in einem Land zu Gast, das mir nie Heimat war, obwohl ich hier (genauer gesagt in Masuren) 1958 geboren wurde. Ich höre eine Sprache, die ich nicht verstehe, obwohl ich sie einige Jahre selbst gesprochen habe. Im Eröffnungsgottesdienst der Synode habe ich am Freitag eine mir fremde Liturgie erlebt, die vermutlich so auch in dem Gottesdienst gefeiert wurde, in dem ich getauft wurde. Fünf Jahre lang gehörte ich also der örtlichen Kirche an.

Präses Rekowski auf der Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen (Foto: http://www.luteranie.pl)
Präses Rekowski auf der Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen (Foto: http://www.luteranie.pl)

Als meine Familie 1963 Polen verließ, sahen meine Eltern keine Perspektiven für unsere Familie, zu der damals vier Kinder gehörten. Der „goldene Westen“ versprach eine bessere wirtschaftliche Zukunft. Zurück lassen mussten meine Eltern all ihre familiären, nachbarschaftlichen, kirchlichen und sozialen Bezüge. Diese Entwurzelung war der Preis für ein Leben im „Wirtschaftswunderland“ Deutschland. Ich selbst habe, wenn ich an meine Schulbildung, die Möglichkeit zu studieren und Pfarrer werden zu können, insgesamt von diesen Entwicklungen sehr profitiert. Während meines Aufenthaltes in Polen bewegt mich das doch viel mehr, als ich bei meiner Abreise dachte.

Ein Besuch im Museum des Warschauer Aufstandes führte mir noch einmal sehr eindrücklich die deutsch-polnische Geschichte und das unermessliche Leid vor Augen, das Deutsche dem Polnischen Volk zugefügt haben. Heute steht auch noch ein Besuch des Museums der polnischen Juden auf dem Programm. In Gesprächen mit den polnischen Gastgebern habe ich auch erfahren, wie einzelne Polen die politischen Ereignisse des letzten Jahrhunderts in ihrer jeweiligen (Familien-)Geschichte erlebt haben.

Ermutigend ist es für mich zu sehen, wie lebendig und vielfältig sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen im Allgemeinen und zwischen den evangelischen Kirchen in Deutschland und Polen (selbstverständlich auch zur reformierten Kirche in Polen) entwickelt haben. In den letzten Tagen habe ich in Polen mehr über gute grenzübergreifende Gemeinde- und Kirchenkreiskontakte erfahren als ich bisher wusste.

Beiträge zu “Besuch in Polen: Was ist Heimat?

  1. Lieber Herr Rekowski!
    Eigentlich würde ich lieber Bruder Rekowski schreiben, da ich als Schwabe 40 Jahre in Österreich als evangelischer Pfarrer war. Mich berührt Ihre Schilderung Ihres Polen-Besuches sehr. Da spüre ich die unbegrenzte Liebe Gottes, unseres Vaters, bei dem es keine Grenzen und Sprachbarrieren gibt. Gerade wenn Sie heute das Museum der polnischen Juden besuchen wünsche ich Ihnen besonders die Nähe des Königs der Juden Jeshua. Danke für Ihren Präsesblog.

  2. Auch ich als Nachfahre von Masuren erinnere mich gerne an Gottesdienstbesuche in Nikolaiken in den Jahren 1992 und 1993, die zweisprachig gehalten wurden und mir lutherische Formen der Frömmigkeit z.B. knien beim Empfang des Abendmahles, zeigten.

    Der schwere Stand der reformatorischen Kirchen in diesem Land haben mir erst bewusst gemacht, welche Möglichkeiten unsere Kirchen in Deutschland haben und nutzen sollten. Eine Partnerschaft mit den Gemeinden in Polen scheint mir daher recht sinnvoll zu sein.

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