Von Gott reden

3.6.2014

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Image: DLR/Alejandro Morellon (CC-BY 3.0) 3. Juni 2014 von Manfred Rekowski Von Gott zu reden – das sollte Alltag innerhalb unserer Kirche sein. Aber Kirche darf nicht um sich selbst kreisen ...

3. Juni 2014 von Manfred Rekowski

Von Gott zu reden – das sollte Alltag innerhalb unserer Kirche sein. Aber Kirche darf nicht um sich selbst kreisen und muss das Gespräch mit Menschen suchen, die auch außerhalb der Kirchenmauern leben. Gerade wenn wir den Dialog mit Menschen suchen, für die Gott nicht gesetzt ist, müssen wir auch Rechenschaft geben, wie wir von Gott reden können. Der Dialog mit Andersdenkenden ist für mich auch deshalb spannend, weil er mir auch zur Klärung meiner eigenen Position dient.

Gerade aus dem Bereich der modernen Naturwissenschaften kommen Anfragen an uns, wie wir heute noch von Gott reden können. Der durch den Biologen Richard Dawkins vertretene neue Atheismus beruft sich auf ein wissenschaftliches Weltbild. Schließen sich Glaube und ein naturwissenschaftliches Weltbild aus? Ich denke nein. Von Gott reden ist jedoch nichts, was sich von selbst versteht, denn die modernen Naturwissenschaften stellen uns auch theologische Fragen. Die Diskussion unseres Weltbildes, das durch Naturwissenschaft und Technik geprägt ist, darf aber nicht nur „unter uns“ erfolgen, wir brauchen das interdisziplinäre Gespräch zwischen Theologinnen und Theologen und Naturwissenschaftlern und Naturwissenschaftlerinnen.

Seit vielen Jahren trifft sich in regelmäßigen Abständen innerhalb der rheinischen Kirche ein Gesprächskreis „Theologie und Naturwissenschaft“. Vielfach wurden hier ethische Fragen diskutiert. Bei der letzten Zusammenkunft ging es um die Rede von Gott. Der Physiker Prof. Dr. Jürgen Schnakenberg und der Theologe Professor Dr. Christian Link wählten in ihren Vorträgen zwei sehr unterschiedliche Zugänge, um die Möglichkeiten und Probleme der Rede von Gott in unserer Zeit zu beschreiben. Mich haben die Vorträge und die Diskussion sehr angeregt, denn sie zeigen, dass solch ein Dialog zwischen einem Naturwissenschaftler und einem Theologen die Diskussion nach vorne bringen und wir auch im Rahmen eines naturwissenschaftlichen Weltbildes von Gott reden können und intellektuell redlich bleiben.

Die beiden Vorträge sind keine leichte Lektüre, wer jedoch etwas tiefer in die Frage einsteigen möchte, wie sich Glaube und moderne Naturwissenschaften zueinander verhalten, dem empfehle ich sie gerne. Und wie immer: Über Ihre Rückmeldungen im Blog freue ich mich.

Bildnachweis: DLR/Alejandro Morellon (CC-BY 3.0)

Beiträge zu “Von Gott reden

  1. Hallo,

    über dieses Thema habe ich mir selber oft schon Gedanken gemacht. Nun Glaube (nicht Relegion) und Naturwissenschaft sind kein Widerspruch – das mal vorab. Unser bekanntes Universum teile ich, ähnlich wie die Informatiker (http://de.wikipedia.org/wiki/OSI-Modell), in Schichten.
    von unten nach oben.
    die Mathematische Schicht, Physikalische, Chemische, Biologische, Gesellschaftiche.
    Die mathematische Schicht ist die einzige, mit der wir ggf. Zustände ausserhalb unseres Universums beschreiben können. Nur die Modelle sind eben Annahmen, weil man nichts mehr messen kann. Wie verlassen die Welt der Kausalität. Und genau nur in dieser Welt Gott zu suchen ist falsch. Die Vorstellungen von einem Mann mit weißem Bart in der Wolke sind gefährlich. Denn wenn ich dort nichts finde – fangen die Zweifel an. Anderes Beispiel:

    „Ich bin in den Weltraum geflogen, aber Gott habe ich dort nicht gesehen“

    … soll der Kosmonaut Juri Gagarin gesagt haben, nachdem er am 12. April 1961, heute vor 50 Jahren, als erster Mensch im Weltraum die Erde umkreiste. Wie sich Jahrzehnte später herausstellte, wurde ihm dieser Ausspruch lediglich von der Sowjet-Propaganda nachträglich `in den Mund gelegt`.

    Wie extrem Dumm diese Propaganta – auch unwissenschaftlich ist brauch ich wohl nicht zu erkären.
    Ich glaube eben Gott ist etwas Interuniverses – etwas so mächtiges, was mit unserer Vorstellung nichts zu tun hat. Schon in unserem Univerum stößt man an die Grenzen der Vorstellung.

    Gruß Michael

  2. Mich freut das Interesse der Kirchenleitung an der Thematik sehr, zumal ich davon überzeugt bin, dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaft in dem Denken vieler Menschen und in unserer Gesellschaft eine Stellung einnehmen, die kirchlicherseits selten wahrgenommen wird.
    Vielleicht wäre in der Tat eine neue Art von natürlicher Theologie nötig – natürlich eine gewisse Provokation für eine von Barmen geprägte Kirche.
    Die Ausführungen von Herrn Schnakenberg finde ich auch aufgrund ihrer Ehrlichkeit sehr anregend, wobei man aber nicht vergessen sollte, dass hier nicht „Die Physik“ spricht, sondern eben Herrn Schnakenbergs Deutung derselbigen. Zumindest deutet ein anderer bekannter Physiker, John Polkinghorne, ja in einigen Fragen anders.
    Wer sich für diese Fragen interessiert, sei noch auf die Themenseite der ev. Akademie im Rheinland http://www.theologie-naturwissenschaften.de verwiesen, dort unter „Autoren“ auch mehr zu Polkinghorne.

  3. “Ich bin in den Weltraum geflogen, aber Gott habe ich dort nicht gesehen”
    sind ja noch andere in den Weltraum geflogen….hat jemand dabei Gott gesehen? Leider nein. Was Interuniverses fühle ich auch, wenn ich mir den unendlichen Sternenhimmel ansehe…

    Was ist denn mit Jesus als Gottessohn? Erst 1827 wurde ja die weibliche Eizelle entdeckt, und mit der heutigen Kenntnis dürfte klar sein, daß Jesus ein sehr normaler Mensch mit einem sehr normalen Chromosomensatz war…..

  4. Danke für diese persönliche Empfehlung mit Links aus dem Rheinland – die Beiträge von Jürgen Schnakenberg und Christian Link sind wirklich lesenswert.

  5. Es ist erfreulich, dass dem Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie hier Raum gewährt wird. Dass dieser Dialog in einer vom naturwissenschaftlichen Denken durch und durch geprägten Gesellschaft relevant ist, wird kaum bestritten. Manchmal hat man jedoch den Eindruck, dass es sich dabei um akademische Wolkenschieberei handelt. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht um zentrale Schaltstellen des christlichen Glaubens. Z. B. ist spätestens seit Darwin das Bild von einem Gott problematisch geworden, der punktuell interveniert (und z. B. separate Arten erschafft). Heißt das nun, dass Gott überhaupt nicht eingreift? Was bleibt dann vom Bittgebet? Und wie schwer tut sich ein naturwissenschaftlich geprägtes Denken mit dem Thema Auferstehung! Schließlich: Ist das evolutive Denken eher eine Ver-schärfung der Theodizeefrage (Biologe Thomas Junker) oder eine Ent-schärfung, wie dies der Theologe Hans Kessler plausibel macht? All dies sind Fragen, die – ausgehend vom naturwissenschaftlichen Denken – ins Zentrum des christlichen Glaubens reichen. Angesichts dieser Herausforderung gilt immer wieder neu: „Seit allzeit bereit, Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die euch erfüllt“ (1 Petr 3.15).

  6. Zum Beitrag von Limette:

    Es stimmt, dass mit den Entdeckungen der Grundlagen menschlicher Biologie Vorstellungen wie „Jungfrauengeburt“ im wortwörtlichen Sinne nicht mehr haltbar sind. Das ist aber auch schon im christlichen Bekenntnis berücksichtigt. Wenn es dort heißt, dass Jesus wahrer Mensch war, dann war er natürlich auch ein Mensch mit einem vollständigen, „diploiden“ Chromosomensatz. Ansonsten wäre die zentrale Aussage des Christentums: „Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden“ in Frage gestellt. Die Bedeutung der Aussage, dass er zugleich Gottes Sohn war, muss auf andere Weise erschlossen werden. Ich denke aber, dass das leichter möglich ist, wenn wir berücksichtigen, dass wir schon uns selbst nicht ganz und gar verstehen. Wir sind mehr als biologische Organismen mit einem Chromosomensatz. Dieses Mehr ist aber mit naturwissenschaftlichen Mitteln schwer zu beschreiben. Was macht uns zu einer Person mit Würde? Spielen da nicht andere Menschen und ihre Verbindung zu uns eine wichtige Rolle? Wir sind doch tatsächlich keine einsamen Inseln mit unterschiedlichen Chromosomensätzen. Wir sind in vielfältiger Weise miteinander verbunden, durch die Sprache, die Kultur, durch persönliche Verbindungen. In diese Richtung muss man schauen, wenn man verstehen will, was mit der Gottessohnschaft Jesu gemeint ist: Gottes Zuspruch zu den Menschen, der sich in dem Miteinander der Menschen spiegelt.

  7. Viele machen sich nicht klar:
    Unsere Welt ist nur dann wirklich weltlich, wenn Gott als der Schöpfer erkannt wird. Es hat sich in der Geschichte immer wieder gezeigt: Wenn von dem einen Gott, der dieser Welt gegenübersteht als Schöpfer, nichts mehr gewusst wird, werden Dinge und Menschen in dieser Welt vergötzt. Siehe „Fußballgott“.
    Martin Luther hatte die tiefgehende Erkenntnis, dass der Mensch unheilbar religiös ist und sich unablässig in seinem Herzen Götter macht, denen er dient. Davon macht der eine Gott frei. Er zeigt uns: Allein die menschengemachten Götter wollen sich dienen lassen. Aber der eine Gott dient uns und gibt sich voll und ganz hin. Um dies zu zeigen, wurde Gott Mensch in Jesus Christus.
    Wenn davon nicht mehr geredet wird, ist es der Mensch, der „ewige Jugend“ oder „Wiedergeburt“ oder „ewiges Leben“ machen muss, je nachdem. Wenn von Gott geredet wird, tritt zutage, dass wir Menschen in Hinblick auf die letztgültigen Dinge reine Empfänger sind.
    In dieser Hinsicht sind wir als Kirche und Christen den Menschen schuldig, von Gott zu reden, indem wir sein Evangelium verkündigen.
    „Von Gott reden“ ist immer Weitersagen seines Wortes und nicht „über Gott reden“.

  8. Von Gott redete auch Jean Paul 1796 in seinem berühmten Text: „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“. Doch ist dies kein atheistisches Pamphlet, wie man auf Grund des Titels vermutet. In einer faszinierenden Endzeit-Szenerie schildert er den Atheismus als einen Alptraum, aus dem der Träumer aber am Ende aufatmend aufwacht und sich seines Glaubens wieder gewiss ist. Entspricht die Rede, die er dem „toten Christus“ als eine Schilderung des Weltgebäudes mit seinen unendlichen sinn-, ziel- und trostlosen Weiten, in denen nichts als „kalte ewige Notwendigkeit“ und „wahnsinniger Zufall“ herrschen, in den Mund legt, durchaus dem aufgeklärten Zeitgeist seiner Epoche, so bleibt das schließliche Erwachen aus diesem Alptraum gänzlich unmotiviert.
    Heute aber lehrt uns die Quantentheorie, dass das Weltgebäude schon in seiner ontologischen Verfassung ganz anders aussieht. Man weiß heute, dass die Realität der messbaren Dinge und Sachverhalte nicht die ganze Wirklichkeit ist, wie man damals dachte und in der Gott tatsächlich keinen Platz hat, sondern, dass man eine neue ontologische Kategorie hinzunehmen muss, die man nicht messen kann, nämlich die Potentialität, um auch nur die Stabilität der Atome zu verstehen. Dadurch wurde das Fenster aufgestoßen, so dass von Gott völlig neu geredet werden kann und der Zeitgeist aus dem Alptraum erwachen kann, in dem er immer noch befangen ist .Das ist eine enorme Herausforderung für die Theologie.

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