„Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1. Thess 5,21)
Die Losung für 2025 lädt passend zum Jahreswechsel dazu ein, Inventur zu machen. Innere Inventur in meiner Seele und äußere Inventur in meinem Verhalten. Täglich strömen ungezählte Eindrücke auf mich ein: Begegnungen zuhause, auf der Straße, Nachrichten im Internet, Gedanken, die mir durch den Kopf schießen, verschiedenste Gefühle. Was davon ist es wert, bewahrt zu werden? Und was kann weg, weil es belastet und nur unnötig Raum in meiner Seele einnimmt? Und täglich muss ich mich entscheiden, wie ich lebe. Nehme ich das Auto, den Bus oder das Rad? Wofür nehme ich mir Zeit und was lasse ich liegen? Was sage, tue, mache ich und wann bleib‘ ich still und stumm?
Die Losung ermuntert zu einem freien, offenen Blick auf mein Leben: Ich kann „alles“ ohne Berührungsängste ansehen. Nichts ist von vornherein ausgeschlossen. Doch ob ich es bewahren sollte, hängt davon ab, ob es gut ist. Oder besser gesagt gut tut: mir selbst und meiner Beziehung zu den anderen, zur Welt, zu Gott. Tut das gut oder kann das weg? Hilft es mir zu glauben, zu lieben, zu hoffen? Oder verhärtet es mich und macht mich grau, grummelig und griesgrämig?
Die Aufforderung zur Lebens-Inventur stammt aus dem ersten Brief des Paulus an die Thessalonicher. Dem ältesten Schreiben, das wir überhaupt im Neuen Testament haben. Am Ende seines Briefes gibt Paulus der jungen Gemeinde eine Reihe von praktischen Ratschlägen mit auf den Weg. Dazu, wie sie ihren Glauben in einer Welt leben können, die ihnen oft feindlich gegenübersteht.
„Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht.
Prüft aber alles und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt.“ (1. Thess 5,14-22)
Feine kleine Sätze, die es in sich haben. Ich finde sie hilfreich für meine Lebens-Inventur.
– Da ist zunächst mein Verhalten gegenüber den anderen mit ihren Macken und Nöten: den Nachlässigen, Kleinmütigen und Schwachen. Reg‘ ich mich schrecklich über sie auf und mache gerne aus Mücken Elefanten?
Oder schaffe ich es, geduldig, hilfreich zu sein – weil wir vor Gott und den Menschen alle unsere Macken haben? Mich selbst vor dem Angesicht Gottes zu sehen hilft sehr, dass ich gnädiger mit anderen umgehe.
– Da ist dann die Sache mit dem Bösen. Es liegt tief in uns Menschen, Böses mit Böses zu vergelten. Rache ist ein bittersüßes Gefühl. Doch im Glauben geht es um etwas anderes: „dem Guten nachzujagen, füreinander und für jedermann“. Das ist anstrengend und widerstrebt meinem Gerechtigkeitsempfinden, meinem Stolz. Doch darauf liegt letztlich Gottes Segen. Weil wir nur so aus der Spirale herauskommen, dass Böses immer wieder neues Böses schafft.
– „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“ Das ist ein schöner Gedanke: Dass das Ziel meines Lebens darin liegt, fröhlich und dankbar zu sein. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Niemand ist ständig fröhlich oder dankbar. Und es gibt viele entsetzliche Dinge, die schreien förmlich zum Himmel. Für die will ich auch gar nicht dankbar sein.
Doch es geht hier um eine Grundhaltung. Und der Schlüssel dazu liegt in der kleinen Aufforderung dazwischen: „Betet ohne Unterlass.“ Im Gebet übe ich mich darin, mein Leben als Gabe aus Gottes Hand zu nehmen. Das kann helfen, anders mit vielem umzugehen.
– Dann ist da die schöne Stelle mit dem Geist: „Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht.“ In unseren Gottesdiensten und in unserer kirchlichen Praxis sind wir da gesetzter, gutbürgerlich, alles wohl geordnet. Doch es ist gut, wenn wir mehr Mut zur Freiheit, zur Kreativität, zum Geisteswirken haben. Setze keinen Punkt, wo Gott ein Komma macht. Ich glaube, Gott schüttelt manchmal seinen Kopf über meine und unsere religiösen Rechthabereien – wenn wir meinen, Gott wieder einmal besser zu verstehen als Gott sich selbst.
– Und dann kommt der schöne Satz der Jahreslosung: „Prüfet alles und behaltet das Gute.“ Das wünsche ich mir für mich selbst – den freien, offenen Blick auf mein Leben. Das wünsche ich mir für unsere Kirche und unsere Gemeinden – dass wir uns gemeinsam darauf konzentrieren, was uns fröhlich und dankbar macht. Und das wünsche ich mir für unsere Gesellschaft – dass wir das Böse in jeder Gestalt meiden und dem Guten nachjagen für jedermann. Gut ist, was anderen und mir zum Segen dient.
Ich finde die Jahreslosung äußerst hilfreich, weil sie mich gleich am Beginn des neuen Jahres 2025 vor Griesgrämigkeit und Schwarzmalerei bewahrt. Und weil sie mir hilft, dort zu beginnen, wo ich am meisten bewirken kann: bei mir selbst.
Gut ist, was anderen und mir zum Segen dient – und uns gemeinsam fröhlich und dankbar macht. Damit will ich gern mein neues Jahr beginnen.
Theologische Impulse (155) von Präses Dr. Thorsten Latzel
Weitere Impulse: www.glauben-denken.de
Als Buch: www.bod.de
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Es ist gut durch den Beginn des neuen Jahres die Hoffnung einbringen zu dürfen, dass alles besser werden kann und wir Sachen ausführen, die wir lange vor uns hergeschoben haben.
Im neuen Jahr soll alles besser werden. Jedes Jahr der gleiche Impuls, das gleiche Innehalten, die gleiche Rückschau.
Dabei geht es aber nicht nur um das Nachvornesehen, sondern auch um das Was habe ich geschafft? im vergangenen Jahr.
Zu sehen, was ich mit Gottes Hilfe bewältigt habe, ist eine Menge. Dafür bin ich dankbar. Ich bin dankbar, dass Gott mich lieb hat und mir hilft meinen Verpflichtungen nachzukommen. Dass er mich jeden Tag das Vaterunser beten lässt, um für eine kurze Zeit des Tages bei ihm sein zu dürfen, lässt mich dankbar sein. Dass Gott mir die Kraft gibt jeden Tag in der Bibel zu lesen, trotz der vielen anderen Sachen die ich zu bewältigen habe, hat Dankbarkeit in mir hervorgerufen.
Ich sehe bei meiner Jahresrückschau, dass ich meinen Glauben an Gott gestärkt und gefestigt habe. Damit ist das zurückliegende Jahr ein gutes Jahr für mich gewesen. Was hätte ich schlimmeres als Gottes Liebe entbehren können?