Wie politisch darf Kirche sein – Sieben Orientierungen aus aktuellem Anlass

Theologische Impulse (156) von Dr. Thorsten Latzel

  • 25.1.2025
  • Thorsten Latzel

Im Rahmen seines Amtsantritts als amerikanischer Präsident hat sich Donald Trump mehrfach explizit auf den christlichen Glauben bezogen. Zugleich hat er es als übergriffig empfunden, als ihn Bischöfin Mariann Edgar Budde im Gottesdienst um Gnade für Menschen in Angst gebeten hat. Auch im Kontext der Bundestagswahl kommt es wiederholt zur Frage, wie politisch Kirche sein darf.
Dazu ein paar Orientierungshilfen.

1. Kirche darf nicht parteipolitisch sein.
Zu ihr gehören liberal, konservativ, sozial, ökologisch denkende Menschen. Das gehört zu einer Demokratie und zu der uns von Gott geschenkten Vielfalt. Wir sind alle „eins in Christus“ (Gal 3,28).

2. Kirche darf nicht nur, sie muss politisch sein – um des Evangeliums willen.
Weil Christus Herr unseres ganzen Lebens ist und kein Bereich davon ausgenommen sein darf (Barmen II). Als Menschen sind wir Gemeinschaftswesen, keine Inseln. Der Glaube betrifft alle Beziehungen.

3. Glaube ist persönlich, aber nicht privat.
Der jüdisch-christliche Glaube ist zutiefst sozial. Ob in der Schöpfung, im Auszug aus der Sklaverei, in den Zehn Geboten: Es geht immer um Segen und Heil für die Gemeinschaft, letztlich für alle.

4. Die Bibel zeugt von der Parteinahme Gottes für die Schwachen.
Die Propheten beziehen sozialkritisch klar Stellung, ebenso Jesus in der Bergpredigt oder im Gleichnis vom Weltgericht. Gott macht die Sache der Fremden, Armen, Entrechteten zu seiner eignen.

5. Als Kirche wissen wir es politisch nicht besser, wir bezeugen Gottes Wort.
Kirche und Staat sind klar zu unterscheiden. Wir sind dankbar für die Demokratie, in der wir leben.
Unsere Aufgabe ist es „an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten“ zu erinnern (Barmen V).

6. Als Kirche müssen wir protestieren, wo immer Menschenrechte verletzt werden.
Gott hat alle Menschen mit unverlierbarer Würde und Rechten geschaffen. Sie werden von Staaten nicht verliehen, sondern anerkannt oder gebrochen. Wo dies geschieht, muss Kirche ihre Stimme erheben.

7. Unser Gebet gilt allen.
Beten, Tun des Gerechten und Warten auf Gottes Reich – das ist zental für ein christliches Leben (D. Bonhoeffer). Unser Gebet gilt allen: den Armen um Schutz, den Mächtigen um ethische Orientierung, den Irrenden für Umkehr.

 

Das war nicht der Traum von Martin Luther King

Nein, das war nicht der Traum von Martin Luther King.

Es heißt nicht Frieden zu bringen, wenn man Gebiete anderer Länder militärisch bedroht.

Es heißt nicht zu vereinen, wenn Menschen aus Angst vor Rache präventiv begnadigt werden müssen.

Es ist nicht fromm, wenn man die Bibel dabei hat, aber nicht berührt, geschweige denn sich von ihrer Botschaft berühren zu lassen.

Es ist nicht christlich, wenn man den Namen Gottes im Munde führt, um sich selbst groß zu machen.

Es ist nicht im Geiste Jesu Christi, sich selbst in Superlativen zu rühmen und andere zu diffamieren.

Es ist nicht versöhnend, farbenblind für Rassismus zu sein und sexuelle Identitäten zu leugnen.

Es ist nicht sozial, Politik mit Milliardären für Milliardäre zu betreiben.

Es ist nicht der Beginn des goldenen Zeitalter, auf Kosten der Schöpfung zu leben.

Nein, das war nicht der Traum von Martin Luther King.

 


Theologische Impulse (156) von Präses Dr. Thorsten Latzel

Weitere Impulse: www.glauben-denken.de
Als Buch: www.bod.de

Beiträge zu “Wie politisch darf Kirche sein – Sieben Orientierungen aus aktuellem Anlass

  1. Lieber Herr Präses Latzel,

    für mich ist es jedes Mal eine Herausforderung auf einen Ihrer Impulse zu antworten. So auch dieses Mal.

    Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Im Neuen Testament der Bibel steht, dass man der Obrigkeit Untertan sein soll. Dies verstehe ich so, dass einer Obrigkeit Folge geleistet werden soll, falls sie im Sinn von Gott zu regieren pflegt. Denn niemand darf sich über Gott erheben.

    Andersherum ist damit auch gesagt, dass, wer Jesus Christus nachfolgt, nicht anders kann als auf Unrecht aufmerksam zu machen. Damit ist jeder Christ auch verpflichtet politisch zu denken und zu handeln. Darin ist Jesus Christus Vorreiter gewesen. Der Maßstab für eine politische Meinung ist ganz einfach:
    Ist die aktuelle Politik von Gott her gesehen korrekt?
    Ist sie vom Heiligen Geist getragen?
    Kann sie Gerechtigkeit im Sinn vom Glauben an Gott hervorbringen?
    Geschieht sie für Arme und Hilfsbedürftige oder im Interesse weniger betuchter Einzelpersonen?
    Für mich ist auch die Frage, wie weit darf ich als Christ in meiner Protesthaltung gehen? Selbst „die Weiße Rose“ hat sich in der Endphase ihres geistigen Protestes mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich ihre Mitglieder bewaffnet sollen, um den Widerstand gegen das NS-Regime zu verschärfen.

    Als einzigen Grund dies nicht zu tun, sehe ich das Gebot „Du sollst nicht töten!“ Gilt dies denn auch im großen Unrechtsdenken bezüglich des Dritten Reiches? Es ist bestimmt keine leichte Entscheidung einen Widerstand wie den gegen das NS-Regime zu militarisieren?

    Auf diese Frage wüsste ich sehr gerne eine Antwort. Sollten Sie, Herr Latzel, oder jemand anderes meinen Beitrag lesen, bitte ich Sie mir zu antworten. Diese Frage beschäftigt mich schon sehr lange.

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