Als Christenmenschen haben wir Maßstäbe und Werte in die Flüchtlingsdebatte einzubringen

23.3.2016

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Präses Rekowski auf der Landessynode in Bad Neuenahr 23. März 2016 von Manfred Rekowski Heute habe ich mich mit diesem Brief an die Gemeinden und Pfarrerinnen und Pfarrer unserer Landeskirche gewandt, den ich hier ...

23. März 2016 von Manfred Rekowski

Heute habe ich mich mit diesem Brief an die Gemeinden und Pfarrerinnen und Pfarrer unserer Landeskirche gewandt, den ich hier im Blog auch mit Ihnen teile.

Allen, die sich ehrenamtlich und beruflich mit großem Engagement um Flüchtlinge kümmern und sich aktiv für den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen, möchte ich danken. Für die in den letzten Wochen eingegangenen Spenden für die Flüchtlingsarbeit der Kirchen in Griechenland sage ich ebenfalls herzlichen Dank.

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Karwoche und eine gesegnete Osterzeit.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,

viele von Ihnen werden sich in diesen Tagen in der Karwoche auf die Gottesdienste für Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern vorbereiten. Unsere Welt leidet in diesen Tagen erneut unter Terroranschlägen – diesmal in Brüssel. Wir sind entsetzt und betroffen. Besorgnis und Angst greifen Platz in unserem Leben. Unsere Gedanken und Gebete gelten den zahlreichen Opfern und ihren Angehörigen (http://www.ekir.de/url/m6f ).

Neben den aktuellen Ereignissen bewegen seit Monaten die Flüchtlingsfrage und die damit verbundene humanitäre Katastrophe Menschen in unseren Gemeinden. In Abstimmung mit der Kirchenleitung hierzu einige Gedanken:

Seit dem Spätsommer haben sich die Diskussionen um die Flüchtlingsfrage in unserem Land erheblich verändert. Trotz aller Bemühungen der staatlichen Behörden, der Wohlfahrtsverbände, der zivilgesellschaftlichen Kräfte und eines großen ehrenamtlichen Engagements, nicht zuletzt in unseren Gemeinden, war in den letzten Monaten angesichts stark ansteigender Flüchtlingszahlen unübersehbar, dass eine geordnete Abwicklung der Verfahren (z. B. die Registrierung), der Unterbringung und der Versorgung noch nicht oder erst nach größeren Anlaufschwierigkeiten gelungen ist. Hinzu kamen Unklarheiten über die zu erwartende weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen in Deutschland sowie das Ausbleiben einer tragfähigen europäischen Lösung. Die öffentlichen Diskussionen konzentrierten sich zunehmend auf die Behauptung, eine Obergrenze in der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland sei erreicht und die Politik müsse um nahezu jeden Preis den Zuzug von Flüchtlingen stoppen oder wenigstens eine Kontingentierung erreichen. Wir wissen um die Befürchtungen, die auch Menschen in unserer Kirche bei diesem Thema haben.

Ich möchte die Einzelentscheidungen der letzten Wochen und die damit verbundenen Maßnahmen der Flüchtlingsabwehr und der europäischen Abschottung nicht detailliert kommentieren, sondern sie zum Anlass nehmen, noch einmal einige Maßstäbe und Werte zu benennen, die wir als Christinnen und Christen unabhängig von Trends, Umfrageergebnissen und Mehrheitsmeinungen in die aktuelle Debatte um die Flüchtlingspolitik einzubringen haben. Gemäß der Grundüberzeugung der Evangelischen Kirche im Rheinland, ist Aufgabe der Kirche, „an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regie-renden und Regierten“ zu erinnern (Barmer Theologische Erklärung, These V).

Weil für Christenmenschen gilt, was in Philipper 2,4 so formuliert ist „Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen“, wird die Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland weiterhin beharrlich an die Verantwortung und Verpflichtung für alle Menschen, die aus welchen Gründen auch immer auf der Flucht sind oder Asyl suchen, erinnern. Lösungen, die alleine dem nationalstaatlichen Interesse dienen oder die die Probleme auf andere Länder abschieben und das Schicksal vieler anderer notleidender, verfolgter und hungernder Menschen ausblenden oder unberücksichtigt lassen, wird die Kirchenleitung niemals akzeptieren können. Zur unaufgebbaren Verantwortung der Völkergemeinschaft, zum politischen Dauerauftrag der Regierungen gehört auch, dass alle verfügbaren Möglichkeiten und Mittel genutzt werden, um Fluchtursachen wirksam und nachhaltig zu bekämpfen.

Die vor einigen Tagen getroffene Vereinbarung mit der Türkei ist von verschiedenen Kirchen, Wohlfahrtsverbänden (http://www.ekir.de/url/ThC, http://www.ekir.de/url/2Gt) und Flüchtlingsor-ganisationen stark kritisiert worden. Der UNHCR hat klare Forderungen im Blick auf die Umset-zung formuliert (http://www.ekir.de/url/7Jv). Die Wahrung der Menschenrechte gilt vollumfänglich für alle Flüchtlinge, die Europa erreichen. Sie gilt auch für die Flüchtlinge, die bereits mitten in Europa unter menschenunwürdigen Verhältnissen – etwa an der mazedonisch-griechischen Grenze – leben. Sie gelten gleichermaßen für Syrer und für Flüchtlinge aus anderen Herkunftsländern. Eine tragfähige europäische Lösung im Umgang mit dem Weltproblem Flucht muss einen substanziellen und nachhaltigen Beitrag leisten, der der Leistungsfähigkeit Europas und den uns verbindenden Werten tatsächlich entspricht.

Die in unserem Land an verschiedenen Stellen, u. a. auch an den Vorbehalten gegenüber Flüchtlingen und ihrer fremden Kultur und Religion deutlich erkennbar werdende Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts fordert uns alle heraus. Fraglos müssen alle Kräfte guten Willens in Politik, Wirtschaft, Bildung und Zivilgesellschaft weiterhin und verstärkt einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen, die nach Deutschland kommen, möglichst rasch Fuß fassen, die Spielregeln unserer Gesellschaft lernen und sich hier einbringen. Wir sind dankbar, dass insbesondere Industrie, Wirtschaft und Handwerk immer wieder auch auf die Chancen, die in der Aufnahme von Flüchtlingen für unsere Gesellschaft liegen, hinweisen.

Sehr danken möchte ich allen, die sich ehrenamtlich und beruflich mit großem Engagement um Flüchtlinge kümmern und sich aktiv für den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen. Ausdrücklich danke ich auch für die in den letzten Wochen eingegangenen Spenden für die Flüchtlingsarbeit der Kirchen in Griechenland, die konkret für die Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen in Griechenland eintreten.

Ich möchte Sie bitten, sich in die Diskussionen um die Flüchtlingssituation, den Umgang mit den „fremden Neuankömmlingen“ und den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzubringen und so der Stadt Bestes zu suchen (Jeremia 29,7). Das, was uns bewegt, bringen wir weiterhin im Gebet vor Gott und verbinden es mit dem Wort vom Kreuz und der Hoffnung auf neues Leben.
Herzlich grüße ich Sie auch im Namen der Kirchenleitung

 

Beiträge zu “Als Christenmenschen haben wir Maßstäbe und Werte in die Flüchtlingsdebatte einzubringen

  1. Jetzt habe ich lange überlegt, was ich von diesem Brief halten soll,
    speziell von den zitierten Bibelstellen.

    Phillipper 2,4 bezieht sich ja nun im Zusammenhang gelesen, eigentlich auf die christliche Gemeinschaft, wo einer auch auf das Wohl des anderen achten sollte.
    „Ist nun bei euch Ermahnung in Christo….. ist Gemeinschaft des Geistes….. daß ihr eines Sinnes seid…..ein jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was des andern ist.“

    Dasselbe bei Jeremia 29,7, bezüglich der Stadt Bestes, dabei geht es auch direkt um die christliche Gemeinschaft.
    „…Bauet Häuser, darin ihr wohnen möget, pflanzet Gärten, daraus ihr Früchte essen möget; 6nehmet Weiber und zeuget Söhne und Töchter; nehmet euren Söhnen Weiber und gebet euren Töchtern Männern, daß sie Söhne und Töchter zeugen; mehret euch daselbst, daß euer nicht wenig sei. 7Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe lassen wegführen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl. Denn so spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Laßt euch die Propheten, die bei euch sind, und die Wahrsager nicht betrügen und gehorcht euren Träumen nicht, die euch träumen. 9Denn sie weissagen euch falsch in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt, spricht der HERR…“
    Ich finde dort eher Warnungen….

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