5. Oktober 2018 von Manfred Rekowski
Nachtrag (11:36 Uhr):
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst verfügt. Dies begrüße ich. So können ohne den Druck, dass Fakten geschaffen werden, weitere Gespräche unter allen Beteiligten geführt werden und es kann gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden.
Seit Wochen wird intensiv über die geplante weitere Rodung des Hambacher Forstes kontrovers diskutiert. Bereits vor einem Jahr habe ich im Auftrag der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland das Energieunternehmen RWE Power angeschrieben, die geplante Rodung des Waldes nicht fortzuführen, und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart gebeten, dieses Anliegen zu unterstützen. Solange die Kohlekommission über die Zukunft des Braunkohleabbaus berät, sollten nicht durch die Rodung weitere Fakten geschaffen werden.
In der Region leben fast eine halbe Million evangelische Gemeindeglieder, darunter sowohl RWE-Beschäftigte, deren Arbeitsplatz bislang an der Braunkohle hängt, als auch Familien, die ihre Dörfer verlassen mussten oder deren Dörfer vom Abriss bedroht sind. Insofern sind wir mit der ganzen Bandbreite der Fragestellungen vertraut. Mein Eindruck ist: Was die Menschen wesentlich umtreibt, ist die Frage nach der Zukunftsplanung für die gesamte Region. Dass ein grundlegender Strukturwandel für ein Leben nach der Braunkohle erfolgen muss, ist für alle offenkundig. Aus meiner Sicht ist es ein gravierender Fehler, wenn Politik einen Beschluss über einen Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohle immer weiter hinausschiebt. Es ist unverantwortlich, wenn man Menschen ohne klare Perspektive lässt. Deshalb ist es wichtig, den Betroffenen jetzt Klarheit und Perspektiven zu geben. Je früher ein Beschluss zum Ausstieg kommt, je mehr Zeit zur Verfügung steht, desto größer sind die Chancen, den nötigen Strukturwandel sozialverträglich und ökonomisch akzeptabel hinzubekommen. Dabei dürfen Arbeitsplätze und Klimaschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden. Stattdessen sollten alle Kräfte gebündelt werden, um genügend Zeit zur Bewältigung der Aufgabe bleibt: aus der Kohleverstromung auszusteigen und dabei sowohl die Klimaschutzziele als auch die Zukunft der Beschäftigten im Blick zu behalten.
Dabei drängt die Zeit, zumal Deutschland nach dem, was sich derzeit abzeichnet, vermutlich deutlich die Klimaziele von Paris deutlich verfehlen wird. Die Folgen des Klimawandels haben einen hohen Preis. Zu unserem Auftrag als Christinnen und Christen gehört die Bewahrung der Schöpfung, die durch den Klimawandel bedroht ist. Weltweit sind jährlich mehr als 26 Millionen Menschen auf der Flucht aufgrund extremen Klimas. Wie nahe auch uns in Deutschland die Folgen des Klimawandels gekommen sind, haben wir in diesem Sommer zu spüren bekommen. Deshalb ist die Evangelische Kirche im Rheinland auch Mitglied der Klima-Allianz und setzt sich gemeinsam mit den anderen 114 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Kirche, Entwicklung, Bildung, Kultur, Verbraucherschutz, Jugend und Gewerkschaften für eine nachhaltige Klimapolitik und eine erfolgreiche Energiewende auf lokaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ein.
Selbstredend: Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele ist nicht akzeptabel. Es gibt klare Grenzen in der Anwendung der Mittel. Mit Gewaltanwendung gegen die diensttuenden Polizistinnen und Polizisten wird diese Grenze überschritten. Das Recht in die eigene Hand nehmen und mit Gewalt durchsetzen zu wollen, ist keine Lösung. Wir brauchen das gemeinsame Suchen nach Lösungen und tragfähigen Perspektiven für die Betroffenen.
Solange die Kohlekommission noch tagt und die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Interessengruppen im Gespräch sind, dürfen keine weiteren Fakten geschaffen werden. Denn: Zum Gespräch gibt es keine Alternative.
Sehr geehrter Herr Rekowski,
ein ausgewogener Blogg-Eintrag, der alle mitnehmen kann. Schade, dass das abgedruckte Interwiew mit Ihnen in der aktuellen EKiR.info diesem Stil nicht mehr folgt. Schon die Überschrift „Einstieg in den Ausstieg jetzt“ sowie der Untertitel mit der Forderung nach Ausstieg „sofort“ und einem sozialverträglichen „Wandel“ wird einer ausgleichenden Diskussion nicht gerecht. Zum einen befindet sich die Braunkohle seit Jahren im Ausstieg (Verkleinerung Garzweiler, Stilllegung von Braunkohlenblöcke), zum anderen führen Sie einen Zeitpunkt und einen Zeitraum widersprüchlich zusammen. Ich habe den Eindruck, dass Sie hiermit dem aktuellen Mainstream folgen wollen und nicht der besondere Aufgabe der Kirche, ausgleichend zu wirken. Denn der Argumente gibt es auf beiden Seiten viele, und davon sind wenige allein richtig und falsch.
Zu meiner Person: Mitarbeiter der RWE Power AG, Abt. Rekultivierung-Ökologie; BUND Mitglied und Baukirchmeister der Ev. Kirchengemeinde Grevenbroich.
Mit freundlichem Gruß, Henning Walther
Ich danke der Evangelischen Kirche im Rheinland für diese vernünftige und weise Position, die deutlich macht, dass Klima und Menschen wichtiger sind als Zeit- und Finanzpläne der Industrie, die nie die Vollkosten ihres lediglich gewinnorientierten Wirtschaftens tragen werden, das auf Kosten der nachfolgenden Generationen. Ich hoffe, die Politiker werden mit Hilfe der Demonstranten und der Kirche erkennen, der Hambacher Forst ist nicht ein schnödes Stück Wald, sondern ein Symbol ist für unsere Demokratie, unsere Zukunft mit besseren Energietechnologien und für unsere Seele und unsere Vergangenheit, als der Heilige Arnoldus von dem Kaiser Karl dem Grossen den Hambacher Förster den Wald mit List bekommen hatte und in christlicher Nächstenliebe den Anwohnern im 8ten Jahrhundert geschenkt hatte.1200 Jahre hat der Forst die Hambacher Dörfer ernährt, er hätte nie für nur kurzfristige Zwecke zerstört werden dürfen. Dank an die EKiR für eine verantwortliche Zukunft.