Helmut Hesse – ein Mutiger, der Erinnerung verdient

15.11.2018

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Helmut Hesse 15. November 2018 von Manfred Rekowski Bei bekannteren Namen wie Müller, Schmidt, Meyer tut man gut daran, zu dem Nach- auch noch den Vornamen zu setzen. ...

15. November 2018 von Manfred Rekowski

Bei bekannteren Namen wie Müller, Schmidt, Meyer tut man gut daran, zu dem Nach- auch noch den Vornamen zu setzen. So auch bei dem Namen Hesse. Als erstes fällt einem der Schriftsteller Hermann Hesse an. Der hat einmal geschrieben: „Man braucht vor niemand Angst zu haben. Wenn man jemanden fürchtet, dann kommt es daher, daß man diesem Jemand Macht über sich eingeräumt hat.“ – Mutig und ohne die Übermacht der Nationalsozialisten zu fürchten hat Pfarrer Helmut Hesse, Namensvetter des Schriftstellers, gegen die Judenverfolgung Stellung bezogen. An seinen mutigen Widerstand möchte ich in diesen Tagen des Novembers erinnern:

Helmut Hesse, geboren am 11. Mai 1916 in Bremen; gestorben am 24. November 1943 im KZ Dachau. Ich erinnere an ihn, weil er ein rheinischer evangelischer Pfarrer gewesen ist, der sich dem Regime der Nationalsozialisten widersetzt hat und deswegen zu deren Opfer geworden ist.

Helmut Hesse war wie auch sein Vater Pfarrer Hermann Albert Hesse  Mitglied der Bekennenden Kirche. Sie setzten sich für verfolgte Juden ein. Daraufhin wurde ihnen von ihrer eigenen Gemeinde verboten zu predigen; sie erhielten Kanzelverbot. Beide kamen ins KZ Dachau, wo Helmut Hesse zu Tode kam; sein Vater überlebte und wurde in der Zeit seiner fünf Monate dauernden Dachauer Haft von der Kirchenleitung in den Ruhestand versetzt, verbunden mit den „besten Wünschen für einen gesegneten Lebensabend“. Zynischer geht es wohl nicht.

Die Kirchengemeinde hatte in entscheidender Stunde versagt. An dieses kirchliche Versagen und an den mutigen Widerstand durch einzelne wie Hermann Albert Hesse und Helmut Hesse erinnern in der Wuppertaler Friedhofskirche großartig gestaltete Fenster. „Wenn ein Schiff in Not gerät, gehören alle Mann an Deck!“, hat Helmut Hesse einmal gesagt, und damit seine und unserer aller Verantwortung klargestellt, gegen die übergroße Mehrheit auch in seiner eigenen Kirche aufzustehen, die der Judenverfolgung nichts entgegensetzte, ja daran sogar mitwirkte.
„Die Christen können das Erbarmen, von dem sie selbst leben, nicht schlimmer verspotten, als wenn sie die Juden verspotten, weil diese von Gott verworfen seien“, sagte Hesse damals. – Über die Fenster der Friedhofskirche bleiben diese Worte auch heute für uns präsent.

Hesse. Welcher Hesse? Der Pfarrer? Es wäre schön, wenn uns zukünftig bei dieser Namensnennung eben auch Helmut Hesse einfallen würde.


Und dazu noch zwei Terminhinweise: Im Mittelpunkt des öffentlichen christlich-jüdischen Gedenkens am Sonntag, 18. November 2018, steht die Erinnerung an die Opfer der Novemberpogrome vor 80 Jahren und an die elf am 27. Oktober in der Synagoge von Pittsburgh (USA) ermordeten Menschen. Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr mit einem DLF-Rundfunkgottesdienst in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau und endet mit einer Ansprache und einem Gebet in der benachbarten Jüdischen Gedenkstätte gegen 11.30 Uhr. In diesem Rahmen wird auch den mutigen Pfarrer Helmut Hesse erinnert. Mehr dazu …

Auch die Wuppertaler Kirchengemeinde Elberfeld-Nord, Hesses Heimat, erinnert an ihn: So am Samstag, 24. November 2018, u. a. um 15.30 Uhr mit der Einweihung des Helmut-Hesse-Parks an der Brunnenstraße und mit einem Gedenkgottesdienst in der Friedhofskirche an der Hochstraße und der anschließenden Einweihung einer Gedenktafel.

Fotohinweis: Helmut Hesse, Quelle unbekannt, Rechteinhaber bzw. -inhaberin werden gebeten, sich zu melden.

Beiträge zu “Helmut Hesse – ein Mutiger, der Erinnerung verdient

  1. Was war denn die Grundlage, die die Kirchengemeinde ermächtigte, dass Helmut Hesse tatsächlich das Predigen einstellen musste? Wie ist das Kanzelverbot heute geregelt? Hatte die Gestapo sofort die Fakten geschaffen? Ging das ohne Denuntiation?
    Ich frage als Kriegsenkel, weil ich es nicht weiß.

  2. Kirchengeschichtlich

    – formal – gab es ab 1871, seit Gründung des Deutschen Kaiserreiches, einen sogenannten ‚Kanzelparagraphen‘ (Details, vgl. Angebote der Suchmaschinen), der bis 1953, Absetzung durch BRD / 1968 Absetzung durch DDR, gültig war.

    – Inhaltlich – verbot der Kanzelparagraph allen religiösen Geistlichen (nicht ausschließlich Christlichen), politische Stellungnahmen. Der Missbrauch wurde mit bis zu 2 Jahren Freiheitsentzug angedroht.

  3. Herzlichen Dank I.D.Meyer für die zwei wichtigen Puzzlestücke in meinem unfertigen Verstehen der Weimarer Republik, und ihrer Vergleichbarkeit mit der BRD in der EU heute.
    Die öffentliche Mehrheitsmeinung ist seit Kaisers Zeiten so enscheidend, und dabei ihr Kommen von unten oder von oben, spüre ich jetzt nach.

  4. Beide Kirchen waren im Dritten Reich auch am Kopf Teil des Systems und beide hatten nach dem Krieg – selbstverständlich Befreiung, für viele zu spät – nicht den Restanstand, die Guten zu ehren. Die Täter und ihre geistigen und leiblichen Kinder blieben oben oder kamen wieder nach oben.
    Die Liste der Gerechten in Israel zeigt nicht die Namen derer, die nach dem Krieg die Systeme prägten. Paul Gerhard Brauen kaum bekannt, Bernhard Lichtenberg nicht.
    „Im Namen Gottes, Heil Hitler“ und „In Gottes Namen, dann Heil Hitler.“
    Bonhoeffer wurde von der evangelischen Kirche vereinnahmt, die ihn nicht schützte,
    Edith Stein, die man im Stich ließ, wurde zur
    Heiligen gemacht.
    Zu spät die Aufarbeitung des Staates und der Kirche. EIn bewusstes Vertuschen, was die Opfer immer wieder sterben ließ: Die, die „unwert“ erschienen aus den verschiedensten Gründen, die, die für sie schrien, sie beschützten.
    Auch die katholische Kirche sollte sich mal die Lister der kath. Märtyer ansehen, die im
    Dritten Reich starben, weil sie nicht Teil des Systems waren. Faulhaber war es zum Beispiel und auch Frings keine Lichtsgestalt

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