27. Mai 2016 von Manfred Rekowski
„Idomeni ist vollständig geräumt“ – so titeln die Medien. Was ist das für eine Nachricht? Eine Information über erste Fortschritte bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Griechenland? Oder ein Hinweis auf geordnete Asylverfahren in Griechenland? Weder noch!
Ich habe die Nachricht von der Räumung des Lagers in Idomeni auf dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen bei einem Besuch, den ich dort am 7. April gemacht habe, gehört und gelesen. Diese Nachricht fügt sich ein in ein Potpourri von humanitären Null-Lösungen: Nachdem das Schließen der Balkanroute und das Errichten von Zäunen und Grenzbefestigungen in Europa dafür gesorgt haben, dass Flüchtlinge uns derzeit nur noch in kleiner Anzahl in Deutschland erreichen, wird nun der Eindruck erweckt, als könne man die Flüchtlingstragödien außerhalb unserer Landesgrenzen und unserer „Zuständigkeiten“ halten. Die Verlagerung eines Problems durch die Umsiedlung von Flüchtlingen sorgt jedoch allenfalls dafür, dass das Scheitern einer europäischen Flüchtlingslösung und die damit verbundenen humanitären Katastrophen aus dem Blick der Weltöffentlichkeit geraten. Flucht ist ein Weltproblem, das nach einer europäischen Lösung mit deutscher Beteiligung verlangt. Es sieht so aus, als würde die Weltgemeinschaft beim Umgang mit dem Weltproblem Flucht grundlegend versagen.
Fluchtursachen bekämpfen
Deshalb setze ich mich weiterhin für eine Politik ein, die entschlossen Fluchtursachen bekämpft, Regeln für eine geordnete Zuwanderung, die unser Land aus demografischen Gründen dringend braucht, entwickelt und den Menschen, die asylberechtigt sind, Zuflucht und Aufnahme in unserem Land und in Europa gewährt. Ich weiß aus zahlreichen Zuschriften und Diskussionen, dass diese Haltung, die in meinem Glauben begründet ist, auch auf Widerspruch stößt. Die Tatsache, dass bei der Aufnahme von Flüchtlingen im letzten Jahr vorübergehend ungeordnete und unkontrollierte Verhältnisse herrschten (z.B. fehlende Registrierung), kann und darf jedoch nicht dazu führen, dass die Aufnahme von Flüchtlingen grundsätzlich verweigert wird. In vielen Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern, Bischöfen, Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen, Unternehmungen, Gewerkschaften und Handwerkern nehme ich nach wie vor einen großen Konsens wahr: Über das „Wie“, über die konkrete Gestaltung einer humanitären Flüchtlingspolitik, kann und muss man diskutieren – bisweilen auch kontrovers. Über das „Ob“ nicht. Das lässt mich für die Flüchtlingspolitik in Deutschland trotz allem hoffen. Die Zukunft der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers in Idomeni macht mir jedoch große Sorgen.
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PS: Das Foto für diesen Blogpost erhielt ich von NAOMI, es zeigt ein Camp, in das die Flüchtlinge aus Idomeni gebracht werden. Wir sammeln weiter Spenden: Unterstützung für die Flüchtlingsarbeit.
Von: Manfred Rekowski