Menschen werden sich aufmachen, auch wenn eine Kirche zugemacht werden muss

21.4.2014

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21. April 2014 von Manfred Rekowski Symbolbild Gesterrn, am Ostersonntag, fand der letzte Gottesdienst in der Wichlinghauser Kirche, „meiner Heimatkirche“ statt. Ich habe in diesem Gottesdienst gepredigt. ...

21. April 2014 von Manfred Rekowski

Symbolbild
Symbolbild

Gesterrn, am Ostersonntag, fand der letzte Gottesdienst in der Wichlinghauser Kirche, „meiner Heimatkirche“ statt. Ich habe in diesem Gottesdienst gepredigt. Dieser Gottesdienst war für mich etwas ganz besonderes. Denn in dieser Kirche wurde unser Sohn getauft, und unsere Kinder wurden hier konfirmiert. Ich selbst wurde in dieser Kirche 1985 ordiniert, 1986 als Pfarrer und 1993 als Superintendent eingeführt.

Viele Gemeindeglieder wurden in der fast 150jährigen Geschichte in diesem Gotteshaus getauft, konfirmiert und getraut. Hier wurden Trauerfeiern gehalten. Regelmäßig wurden (oft ökumenische) Schulgottesdienste und Kindergartengottesdienste gefeiert. Immer wieder wurde das Abendmahl miteinander gefeiert. Gemeinsam erinnerten wir uns immer wieder an Jesu Leiden und Sterben sowie an die Gemeinschaft, die er stiftet.

Und an jedem Sonn- und Feiertag wurde in den Gottesdiensten der Zuspruch und der Anspruch des Evangeliums zu Gehör gebracht. Das klingt nach Routine. Aber hier hörten Menschen Worte, die sie sich nicht selber sagen konnten: „Du bist ohne Wenn und Aber geliebt und willkommen. Du bist mehr als das, was zählbar und verrechenbar ist. Du bist viel mehr als die Summe der Leistungen und Fehlleistungen.“ Und: „Lebe, was du glaubst. Wer an Gott den Schöpfer glaubt, kann die Schöpfung nicht vor die Hunde gehen lassen. Wer an Jesus, den Brückenbauer, glaubt, kann Menschen nicht nach Herkunft, Einkommen oder Bildung sortieren.“

Zwei Erinnerungen sind mir persönlich besonders wichtig:

Erstens, vor sechs Jahren haben wir bei einer bewegenden Trauerfeier für eine mitten im Leben stehende Frau, die mit unserer Gemeinde über viele Jahre ganz eng verbunden war, ein Lied gesungen, das auch im letzten Gottesdienst gesungen wurde: „Da wohnt ein Sehnen tief in uns…“. Dieses Lied hat mich und viele andere damals besonders bewegt. Den Tod vor Augen vertrauten wir dennoch darauf, dass Gottes Liebe stärker ist. Gemeinsam vertrauen wir darauf, dass uns nichts trennt von dem Menschen, den wir loslassen müssen. Es war der Geist, der Jesus von den Toten auferweckt hat, der mich und andere berührte.

Zweitens, denke ich an den Gottesdienst zu meiner Einführung als Superintendent des Kirchenkreises Barmen Anfang September 1993. Mit 35 Jahren weiß man nicht wirklich in allen Tiefen, welche Aufgaben mit diesem Amt verbunden sind. Und eine Ahnung davon, dass es mit der strukturellen Kontinuität in der Arbeit in Barmen vorbei sein würde, hatte ich auch allenfalls sehr vage. Dass es aber nicht meine/unsere Aufgabe war, die Kirche zu erhalten, sondern die Aufgabe dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, gab und gibt mir das feste Vertrauen bewahrt und behütet zu sein. Am Ende des Gottesdienstes wurde überaus kraftvoll „Bewahre uns Gott, behüte und Gott“ gesungen.

In dieser Kirche ist sehr viel passiert. Ostern nun der letzte Gottesdienst in der Wichlinghauser Kirche. Ist das das Ende? Geht es von nun an endgültig bergab mit der evangelischen Kirche in einem Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf? Werden von nun an nur noch Klagelieder über kleiner werdende Zahlen u.ä. gesungen?

In dem in der Kirche neu entstehenden „Familien- und Begegnungshaus“ werden Menschen aus dem Stadtteil eine Anlaufstelle und einen Ort der Begegnung finden:

  • die Eltern-Kind-Gruppe Mosaik  (Soziale Gruppenarbeit und Elternschule)
  • die kulturelle Kinder-, Jugend- und Familienbildung
  • den Stadtteiltreff.

Ich bin ganz sicher: Hier geschieht in Zukunft mehr und anderes als von uns geplant.

Denn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, berührt und bewegt auch weiterhin Menschen. Und dann passiert erneut das, was immer passiert, wenn Menschen berührt und bewegt werden: sie können nicht schweigen, sondern sie erzählen weiter. Sie packen an. Wenn dieser Geist wirkt, wachsen Menschen über sich hinaus. Menschen werden sich aufmachen, auch wenn eine Kirche zugemacht werden muss.

Beiträge zu “Menschen werden sich aufmachen, auch wenn eine Kirche zugemacht werden muss

  1. Ist wenigstens auch ein kleiner Andachtsraum oder eine Art „Kapelle“ mit eingeplant bzw. mit „eingebaut“, wo man als Gemeindeglied zum stillen Gebet, zur „Stille vor Gott“ finden kann? Oder noch „einbaubar“?

  2. Sehr geehrter Herr Präses Rekowski,
    es ist eine schöne Kirche, die nun jetzt geschlossen wurde. Die Erinnerungen bleiben. Sie bleiben auch bei der Kirche und in der Kirche. Das werden die Menschen, die sich nun diese Räumlichkeiten anderweitig erschließen werden, auch spüren. Die Kirche ist für das Leben immer offen. Sei es in der Erinnerung, in der Vision oder im tatkräftigen Erleben. Das Festhalten ist nicht Leben. Das Leben bleibt im Vergehen. Das Lied: „Es wohnt ein Sehnen…“ ist schön. Verständlich. Haben Sie auf den Weg zur Erlöserkirche noch „Auf Seele, Gott zu loben“ gesungen? Auch ein schönes Lied!

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