Nie wieder!

7.5.2020

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Warschau im August 1944, Foto von Ewa Faryaszewska (1920-1944) 7. Mai 2020 von Manfred Rekowski Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, endeten mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches der Zweite Weltkrieg und die ...

7. Mai 2020 von Manfred Rekowski

Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, endeten mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches der Zweite Weltkrieg und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Dieser Tag hat eine eindeutige Botschaft an uns: Nie wieder! Was Menschen Menschen angetan haben, darf nicht vergessen werden, auch wenn es bald keine Zeitzeuginnen und Zeitzeugen mehr gibt, die ihre Erfahrungen an künftige Generationen weitergeben können. Diese Erinnerung bleibt ständiger Auftrag von Gesellschaft, Staat und Kirche.

Im vergangenen Jahr bin ich nach Polen gereist. Das war wenige Tage vor dem 1. September, dem Tag, an dem deutsche Truppen im Jahr 1939 Polen überfielen und damit den schrecklichen Weltkrieg begannen, der millionenfach Not und Elend über die Völker Europas und besonders auch über Polen gebracht hat. Ich bin 1958 in Polen auf die Welt gekommen. Ich habe meine ersten fünf Lebensjahre auf dem Hof meiner Großeltern und Eltern gelebt, ehe ich mit meinen Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik übergesiedelt bin. Ich will nicht verschweigen, dass ich als Kind zu Hause nichts gehört habe vom furchtbaren Leid, das sehr viele Polen im Zweiten Weltkrieg erlitten haben. Die Erfahrungen meiner elterlichen Familien in den letzten Kriegsmonaten und in den Jahren nach 1945 habe ich dagegen sehr ausführlich erzählt bekommen. Ich erwähne das, weil wir nicht unterschätzen dürfen, was durch erzählte Geschichte und Geschichten in Familien höchst wirksam über andere Nationen, Kulturen und Religionen transportiert wird.

Im vergangenen Jahr sollte ich in Polen in einer Kirche in der Nähe meines Geburtsortes beim Jubiläumsgottesdienst mitwirken und eine Predigt halten.  Das war eine besondere Ehre und ein Zeichen für Versöhnung und für friedliches Miteinander zwischen Deutschen und Polen. Ich habe diese Reise bewusst mit einem Besuch in dem in der Nähe von Danzig gelegenen Konzentrationslager Stutthof begonnen.  Es war zwar nicht das erste Konzentrationslager, das ich besucht habe, erschreckt hat mich aber die Tatsache,  dass dieses Lager bereits einen Tag nach Kriegsbeginn,  am 2. September 1939, eingerichtet wurde.  Das menschenverachtende Grauen und das Töten  waren höchst planvoll und systematisch vorbereitet.

Nie wieder darf so etwas geschehen. Deshalb bleiben Erinnerung und Mahnung unsere ständige Aufgabe. Noch im Jahr 1945 hatte sich die evangelische Kirche – die Schrecken von Krieg und Gewalt und das eigene Versagen in der Zeit der Gewaltherrschaft vor Augen – einem neuen Anfang verschrieben. Es sollte der Anfang einer Zeit sein, in der „der Geist des Friedens und der Liebe zur Herrschaft komme, in dem allein die gequälte Menschheit Genesung finden kann“, wie es im Stuttgarter Schuldbekenntnis des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland 1945 heißt.

Viele hörten das nicht gern und tun es bis heute nicht. Dieser christliche Geist des Friedens ist immer wieder in Frage gestellt worden, abschätzig verbannt worden, als Fantasterei lächerlich gemacht worden, auch in der Kirche. Aber wir dürfen uns als Christinnen und Christen davon nicht irre machen lassen. Denn Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein. Und gerechter Frieden ist möglich. Das ist unser Bekenntnis. Dafür tun wir unseren Mund auf. Jesus lehrt uns nach der vom Evangelisten Matthäus überlieferten Bergpredigt, Gewalt zu überwinden und den Frieden Gottes schon hier auf der Erde zu leben. „Hier sitzt die einzige Kraftquelle“, sagte Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer, der von den Nazis kurz vor Kriegsende ermordete evangelische Theologe, weiter: „Es gibt doch nun einmal Dinge, für die es sich lohnt, kompromisslos einzutreten. Und mir scheint, der Friede und die soziale Gerechtigkeit, oder eigentlich Christus, sei so etwas.“ Deshalb beten wir: „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens“, wie es in einem Friedensgebet heißt. So trifft auch an diesem Gedenktag das „Nie wieder!“ auf ein „Immer wieder!“ – die Aufforderung, immer wieder einzutreten für Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit.

Foto: Warschau im August 1944, Foto von Ewa Faryaszewska (1920-1944)

Beiträge zu “Nie wieder!

  1. Lieber Bruder Rekowski,
    danke für diese persönlichen und klaren Worte, die ich alle unterschreiben kann! Was Sie jetzt hier nicht schreiben (aber, wie ich denke, immer mitmeinen), ist der untrennbare Zusammenhang von Krieg und Shoah. Der Eroberungskrieg war ja von Anbeginn an auch ein Vernichtungskrieg. Und was mir immer vor Augen steht: Der gesamte Krieg war für Deutschland spätestens Anfang 1943 endgültig verloren. Und wie viel entsetzliches Leid folgte dann noch in den zwei Jahren – auch für Deutsche übrigens. Regional erinnern wir uns derzeit an einen 18-Jährigen, der 1945 auf der rechten Rheinseite standrechtlich erschossen wurde, als auf der linken Rheinseite der Krieg schon zu Ende war …
    Herzliche Grüße vom Hunsrück
    Christian Hartung

  2. Ich wurde noch im Krieg, März 1944 in der Oberlausitz geboren. Heute darf ich von meinem Glück berichten. Denn mein Vater wie auch mein Großvater kehrten unversehrt heim. Lediglich mein Patenonkel hat sein Leben 18jährig in diesem unseligen Krieg lassen müssen. Mein Geburtsort wie auch Mutter und Großmutter blieben in den Kriegswirren verschont.
    Sie hatten sogar maroccanische Kriegsgefangene beherbergt. Diese haben mich zu meiner Taufe sogar begleitet und auf einem Taufffoto abgebildet. Durch Hamstern bei den Bauern hat meine Mutter uns alle die letzten Kriegsmonate durchgebracht.
    Ihr Glaube an Gott hat ihr die Kraft gegeben, die Angst um ihre Familie zu überwinden und wurde belohnt.
    Unzählige Einzelschicksale hat dieser Krieg gekostet.
    Wir hatten nur Glück und Gottvertrauen. Daher bin ich dankbar für die Geborgenheit in Gott.
    Niemand aber sollte Gott herausfordern. Hass und Krieg ist keine Lösung. Daher „Nie wieder“.

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