„Kein üblicher braver Mann…“

18.2.2014

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18. Februar 2014 von Manfred Rekowski Jedes Jahr bringt Gedenktage mit sich, dieses Jahr steht die Erinnerung an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor hundert Jahren ...

18. Februar 2014 von Manfred Rekowski

Jedes Jahr bringt Gedenktage mit sich, dieses Jahr steht die Erinnerung an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor hundert Jahren im Vordergrund. Aber es gibt auch andere Gedenktage, die nicht so groß gefeiert werden, die aber im persönlichen Erleben trotzdem wichtig sind. Morgen vor 25 Jahren, am 19. Februar 1989, wurde Peter Beier in sein Amt  als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland eingeführt.

Unsere Evangelische Kirche im Rheinland verdankt Peter Beier viele wichtige theologische Impulse.

Seit 1969 war er Mitglied der rheinischen Landessynode, die 1980 mit dem Synodalbeschluss „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ einen theologischen Neuanfang wagte und ein erneuertes Verhältnis von Judentum und Christentum begründete. Dieser Beschluss prägte auch Peter Beiers Handeln. Es war dann auch im Herbst 1996, wenige Wochen vor seinem Tod, seine Initiative, der Jüdischen Kultusgemeinde in Wuppertal ein Teil des Kirchengrundstücks der Gemarker Kirche für den Bau einer Synagoge zu überlassen. So konnten an dem Ort, wo 1934 die Barmer Theologische Erklärung verfasst wurde, eine lebendige Nachbarschaft zwischen der Evangelischen Kirche und der Jüdischen Kultusgemeinde sowie ein Lernort für christlich-jüdische Begegnungen entstehen.

Nach der Maueröffnung 1989 hat Peter Beier wie kaum ein anderer die europäische Perspektive stark gemacht. Von 1990 bis 1991 und wieder von 1993 an war Peter Beier Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche der Union, dem kirchlichen Zusammenschluss, der die alte preußische Landeskirche im Osten und Westen Deutschlands miteinander verband. Die Integration war für ihn aber nicht nur eine deutsche Aufgabe, sondern eine europäische. Er hat dem Protestantismus in Europa eine neue Rolle zuweisen wollen und sich deshalb sehr intensiv um die Einigung der evangelischen Kirchen in Europa bemüht.

Nicht zuletzt war Peter Beier auch ein Theologe, den die soziale Frage tief bewegte. „Kein üblicher braver Mann, sondern in starker Auseinandersetzung mit den sozialen Fragen.“ – so heißt es in einem Vermerk des Landeskirchenamtes über den Theologie-Studenten Peter Beier. Auch mit seiner sprachgewaltigen Interpretation der Kreuzestheologie hat er  die Kirche immer wieder zur Sache gerufen.

Wo stehen wir als rheinische Kirche heute? Unsere aktuellen Herausforderungen sind anders als vor 25 Jahren, aber als rheinischem Präses ist mir wichtig, dass wir Theologie und soziales Engagement weiterhin verbinden. Die Kreuzestheologie ist das Fundament unseres Glaubens, sie muss aber zeitgemäß immer wieder neu ausgesagt werden – und sie führt uns auch zum Handeln für andere.

So verstanden ist Peter Beier auch heute noch ein kirchenleitendes Vorbild für die Evangelische Kirche im Rheinland.

Beier, Peter, Pfarrer Superintendent Präses der Ev. Kirche im Rheinland Foto: unbekannt Abgabe: Präsesbüro
Präses Peter Beier
* 5. Dezember 1934 in Friedeberg (Niederschlesien); † 10. November 1996 in Düsseldorf
Foto: ohne Nachweis

Beiträge zu “„Kein üblicher braver Mann…“

  1. Mein Dank dem derzeitigen Präses dafür, daß er an dieses Ereignis und an den damaligen Präses erinnert. Präses Beier bleibt für mich – auch im Ammerland – Unvergessen.

  2. Ja, vielen Dank! Der poetischste Präses. Wie vielen von uns Jüngeren hat er den Weg frei geräumt, weil mit einem Mal schräg zu denken erlaubt war. Der konservative Muff war auf herrliche Weise gelüftet. Nun, da der Präses an Barmen & Synagoge erinnert: Sein Wort war gegeben und die Behörde in Düsseldorf geschockt wie das bezahlt werden soll. – Ich glaube wir müssen aufpassen, dass wir das Poetische und Politische Peter Beiers nicht in den Himmel loben und das Klein-Klein der täglichen Änderungen an den Strukturen als irgendwie geringer berwerten.

  3. Dankbar, dass unsere Jüdischen Wurzeln wirklich in geeigneter Weise gewürdigt werden. Unser Haupt am Leib der Gemeinde ist doch zuerst auch König der Juden. Nicht wir tragen die Wurzel, sondern die Wurzel trägt uns.

  4. Ich erinnere mich auch gerne an die grosse Friedens- Demonstration in Jülich 1984 ? oder so.

    Er war gerne bei den Protestanten in Köln und seinem Freund Manfred Kock.

    Einige seiner Bücher begleiten uns noch heute.
    Dank an Präses Rekowski für seine Erinnerung an diesen speziellen Arbeiter im Weinberg des Herrn,

  5. Peter Beier
    Ein Testament?
    Aus dem Bericht des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auf der Landessynode 1993 (Schlussteil)

    Vielleicht ist nun alles, was wir. . . erörtern und bedenken, bedeutungslos im Angesicht der umfassenden Bedrohung, in die wir unseren Planeten manövriert haben und weiter manövrieren.
    Die Wälder sterben.
    Diese Rasse wird nichts lernen, selbst dann nicht, wenn ihr die Sonne Krebsflecken auf die Haut brennt.
    Die einzige Hoffnung, die bleibt, findet für mich in einem schlichten frommen Satz der Väter und Mütter im Glauben Ausdruck: Gott, der Herr, sitzt im Regiment.
    Es wird regiert.
    Das sind keine Selbstberuhigungen, sondern Aufforderungen zu zähem Kampf für den Bestand der Schöpfung und die Erhaltung der Art, wenn es Gott gefällt.
    Hätte ich jetzt ein Testament zu hinterlassen, ich schriebe meinem Enkel so:
    Komm, ich erzähl‘ dir die Geschichte vom Turmbau zu Babel.
    Die Geschichte erzählt dir alles über mich und meine Generation.
    Sie erzählt alles über den Menschen.
    Du fragst, was wir mit eurer Zukunft gemacht haben.
    Du fragst, was ich gegen explodierenden Wahnsinn unternahm.
    Ich kann vor deinen Fragen nicht bestehen.
    Was wir gesagt und getan haben, war halbherzig genug.
    Ich gehörte zu denen, die in Gottes Namen warnen wollten.
    Das war viel zu wenig, wir hätten widerstehen müssen.
    Aber es mangelte uns an Phantasie und Löwenmut.
    Es mangelte an gemeinsamer Sprache.
    Wir haben geredet. Aber aneinander vorbei.
    Wir haben argumentiert. Aber über Köpfe und Herzen hinweg.
    Das ist unsere Schuld.
    Du trägst die Folgen. Nicht ich.
    Wenn es für dich etwas zu lernen gibt, dann das:
    Unsere Maßstäbe, unsere Werte taugen nicht zum Überleben.
    Unsere Sprache ist verbraucht.
    Unsere Denkgewohnheiten sind verelendet.
    Darum sei genau, mein Junge.
    Gib keinen Rabatt auf nachträgliches Gejammer.

    Die Menge der Leute wird dir versichern:
    Das haben wir nicht gewußt. Glaub‘ ihnen nicht.
    Sie haben gewußt, was zu wissen war.
    Sie hätten es wissen können.
    Andere werden dir sagen:
    Wir konnten nichts machen.
    Glaub‘ ihnen nicht.
    Sie hätten eine Menge machen können.
    Vergiß uns, mein Junge, wenn es sein muß.
    Es ist Zeit, uns zu vergessen.
    Wie die Turmbaugeschichte lehrt.
    Mach‘ dich mit anderen auf die Suche nach der neuen Sprache.
    Sie ist da.
    Buchstabiere das Wort Jesu Christi, besser als es uns je gelang.
    Misch‘ dich ein. Halte dich nicht heraus.
    Aus Politik und Wissenschaft.
    Mach‘ dich sachkundig.
    Nimm den Spaten und betrachte die Erde.
    Lies die Seekarten.
    Sprich mit den Fischen.
    Sie werden dir antworten.
    Mach‘ keine große Karriere.
    Besser ist es, zu widerstehen.
    Vielleicht ist das Ende offen.
    Für dich und die Deinen.

    abgedruckt in:
    „Gemeinde … Oase für Kinder“
    Von den Chancen der Arbeit mit Kindern in der Kirche.
    Eine Arbeitshilfe, vorgelegt vom Ausschuß „Arbeit mit Kindern“ der Ev. Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1993/1994

  6. Der letzte wirklich kluge linke Theologe in den Führungsetagen unserer Kirche – aber auch er, wie das obige Zitat wunderbar zeigt, massiv von zeitgeistigen Verblendungen angekränkelt (die Wälder sind NICHT gestorben, der „Wahnsinn“ NICHT explodiert …). Seitdem haben wir nur noch Epigonen, die mit dem ewiggleichen linksgrünem Geplapper allerorten für bleischwere Stagnation sorgen und sich längst von dem entfremdet haben, was das „Kirchenvolk“ in seiner Lebenswelt täglich erfährt.

  7. Lieber Herr Greiner, haben Sie zufällig den letzten Waldschadensbericht mitbekommen und die allerjüngsten Hiobsbotschaften zu den deutschen Buchen?

    Ist die Fukushima-Katastrophe so ganz an Ihnen vorbeigegangen und die jüngsten Warnungen, dass man nun die europäischen AKWs immer weiter belastet, obwohl sie an ihre physikalischen Grenzen geführt werden?

    Haben Sie eine Lösung für den absaufenden strahlenden Müll in der Asse, der im schlimmsten Falle große deutsche Grundwasservorkommen verseuchen kann?

    Haben Sie eine Lösung für die millionenlange Entsorgung des bisher aufgehäuften Atommülls, der über diesen Zeitraum einerseits sicher verschlossen sein, andererseits bei Problemen wie in der Asse rückholbar bleiben muss?

    Wer unternimmt wirklich etwas gegen die Hunderten Toten im Mittelmeer? Wir profitieren hier massiv von den Bodenschätzen in Afrika, die teilweise in Sklavenarbeit zutage gefördert werden, nehmen die Verarmung der Bevölkerung in Kauf und machen anschließend auch noch die Grenzen so dicht, wie man es zuletzt an der innerdeutschen Grenze kannte…

    Und die bleibende Mahnung nennen Sie „zeitgeistig verblendet“?

    Die Lasten, die wir unseren Kindern und Enkeln auferlegen und auferlegt haben, werden größer und größer…

    Nein, Peter Beier hatte völlig recht, wenn er seine Enkel warnte. Immerhin hatte er begriffen, was er seinen Enkeln zumutet.

  8. … Herausforderungen gewiss (wie sie jede Generation seit Menschengedenken zu bewältigen hat). Ich setze mich jetzt nicht mit jeder Ihrer Ausführungen im einzelnen auseinander, denn bei jeder könnte man zeigen, wie jeweils ein kleines Stück unredlicher Verschärfung und Übertreibung bzw. das Herstellen von Zusammenhängen, wo keine sind, nötig ist, damit Ihr und Peter Beiers Gesamtpanorama stimmig bleibt.

    Denn das ist das eigentlich Unerträgliche: nicht die kleinen Übertreibungen und Verfälschungen als solche, sondern wie dies ständig zum Anlass für pseudoapokalyptisches Wortgerassel mit moralisierendem Unterton gerät. Diese schale Mischung von Apokalypse und Moral auf der Grundlage verzerrter Wahrnehmungen in der evangelischen Kirche salonfähig gemacht zu haben – dafür trägt Peter Beyer gewiss ein gerüttet Maß an Mitverantwortung (und wie tonangebend es noch immer ist, dafür sind Sie, Herr Kehren, das beste Beispiel).

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