2. September 2014 von Johann Weusmann
Gestern jährte sich der Beginn des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal. Die Deutschen haben diesen Krieg begonnen.
Weltweit hat er 60 Millionen Menschen das Leben gekostet. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden ermordet. Der Zweite Weltkrieg endete heute vor 69 Jahren mit der Kapitulation Japans.
Was haben wir daraus gelernt?
- In Syrien tobt ein Bürgerkrieg, der zur größten humanitären Katastrophe unserer Zeit geworden ist. Inzwischen ist die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht. 6,5 Millionen Menschen sind vertrieben. 200.000 Menschen wurden getötet.
- 50 Tage dauerte der Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas. 2.100 Palästinenser und 70 Israelis kamen ums Leben. Der Gaza-Streifen ist verwüstet.
- In der Ostukraine haben bisher etwa 2.600 Menschen bei Kampfhandlungen zwischen der ukrainischen Armee und den pro-russischen Separatisten den Tod gefunden. Russische Soldaten beteiligen sich an den Kampfhandlungen. Der Bundespräsident sorgt sich um den Frieden in Europa.
- Im Irak begehen die Kämpfer der Terrorgruppe Islamischer Staat einen Völkermord.
Was lernen wir aus diesen neuen Krisen?
75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs debattiert der Deutsche Bundestag darüber, ob die Kurden im Irak mit Waffen beliefert werden sollen, damit sie sich gegen den Völkermord der IS-Milizen zur Wehr setzen können. Eine große Mehrheit spricht sich dafür aus.
Innerhalb unserer Kirche gibt es die bekannte evangelische Vielfalt. Margot Käßmann ist dagegen; Nikolaus Schneider und Wolfgang Huber sind dafür. Der Friedensbeauftragte Renke Brahms und der Militärbischof Sigurd Rink äußern sich skeptisch, festlegen wollen sie sich aber nicht oder nur bedingt.
Welche Orientierung geben wir?
Einen gerechten Krieg kann es nicht geben. Wer zur Waffe greift, wird Schuld auf sich laden. Und wer Waffen exportiert auch. Und was ist mit dem, der zuschaut und nicht eingreift, obwohl er es könnte? Der wird vermutlich auch Schuld auf sich laden. Erinnern wir uns nur an den Völkermord in Ruanda, bei dem die Weltgemeinschaft tatenlos zugesehen hat. Und was wäre passiert, wenn die Alliierten im Zweiten Weltkrieg nur die Zuschauerrolle eingenommen hätten? Kann es trotz aller Schuld die Pflicht geben, zur Waffe zu greifen oder sie zumindest zur Verfügung zu stellen?
Eine eindeutige biblische Antwort fällt mir schwer. Es bleibt wohl eine Gewissensentscheidung, bei der zwei Übel miteinander abgewogen werden. Ich kann die evangelische Vielfalt nachvollziehen. Aber mich stört die Engführung der Diskussion auf die Frage, Waffenexporte ja oder nein. Es geht um mehr.
Die christliche Verantwortung beginnt weit vorher, nämlich dort, wo die Konflikte entstehen und nicht erst dort, wo sie eskalieren. Die Frage ist: Wie können wir in unserer Welt zu Friedensstiftern werden? Wo können wir zur Versöhnung beitragen, wo zur Deeskalation?
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller beklagt, dass wir weltweit 13 mal mehr für Waffen ausgeben als für Entwicklungshilfe und dass in jedem Spannungsgebiet Waffen auftauchen, die ursprünglich an jemand ganz anderen geliefert worden sind. Angesichts dieser Situation darf man sich nicht wundern, dass die Optionen, die bleiben, sehr eingeschränkt sind.
Ob Deutschland an die Kurden Waffen liefern soll, ist eine Gewissensentscheidung für die Abgeordneten. Die Antwort darauf muss jeder für sich finden. Unser Engagement für den Frieden muss jedoch früher anfangen als bei Waffenlieferungen. Als Christenmenschen sind wir von Gott gerufen, Friedens- und Versöhnungsarbeit zu unterstützen, Brücken zu bauen und Flüchtlingen auch in unserem Land Schutz zu gewähren.
Von: Johann Weusmann