23. November 2019 von Manfred Rekowski
Es geschieht mindestens einmal an jedem Tag irgendwo hier in der Region: Eine Pfarrerin oder ein Pfarrer klingeln an der Haustür eines Trauerhauses. Ein Mensch ist verstorben. Nun gilt es, die Trauerfeier, die Beerdigung, vorzubereiten. Doch wie schließt man das Leben eines Menschen ab?
Als Pfarrer habe ich diese Situation sehr oft selbst erlebt. Ich sitze in der Küche oder im Wohnzimmer und höre zu, nehme die Situation wahr. Manchmal hat der Tod schon lange vorher die Schatten auf das Leben eines Menschen geworfen, manchmal traf er plötzlich und für alle unerwartet ein. Die Angehörigen erzählen mir oft zuerst die näheren Umstände des Todes, sprechen von Krankheit, Beschwerden des Alters, Unfall oder Suizid.
Das Gespräch kreist um den verstorbenen Menschen. Mir wird berichtet, was man an dem Verstorbenen schätzt und liebt. Ich höre, wofür man dankbar ist, wenn man an das zu Ende gegangene Leben denkt. Mir ist wichtig, dass aus den Erzählungen der Angehörigen vor meinem inneren Auge ein Bild des Verstorbenen entsteht. Doch war alles nur gut?
Manchmal erzähle ich dann, dass in meinem eigenen Leben trotz aller Bemühungen nicht alles gelingt, und von dem, was bruchstückhaft bleibt oder gescheitert ist. Ich spreche auch davon, weshalb mir das bekannteste christliche Gebet, das „Vaterunser“, wichtig ist. In einer Zeile heißt das: „Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ Dieses Gebet wird am Grab eines jeden Menschen, der christlich bestattet wird, gesprochen. Ich verstehe das so: Wir legen das Leben eines Menschen, so wie es war, mit den Ecken und Kanten sowie den schönen Seiten, wieder zurück in Gottes Hand. Dort ist es gut aufgehoben. Ich kenne keine bessere Art, das Leben eines Menschen abzuschließen.
Foto: Kaiserswerther Friedhof
Wundervoll…danke.
Das Vater Unser beten wir nicht nur am Grab, deswegen greift mir das “zu kurz”. Pater Abraham OSB, Königsmünster schrieb zu einem Werk aus seiner Schmiedewerkstatt:
“ Aus der Tiefe der Gräber
Von der anderen Seite des Flusses
Aus der Ferne unserer Endlichkeit
Aus der Weltnacht
Heraus
Durch die Vergänglichkeit
Hindurch
Ruft uns Gott
In die Nähe
In sein offenes Herz:
Adam – Mensch –
Wo bist Du?
Hier bin ich – Gott
Komm –
Herüber
Ins Licht!
Du bist frei!”
Vielleicht finden Sie die Zeit, Herr Dwornig, die Worte von Frau Schneidereith-Mauth noch einmal in Ruhe zu lesen. Ich finde darin jedenfalls keinen Hinweis darauf, das Vaterunser sei auf die “ Verwendung“ zum Lebensende beschränkt. Es gibt jedoch unendlich viele Beispiele dafür, wie tröstlich es für trauernde Angehörige wirken kann, wenn es die Kraft beschreibt, die aus der Unvollkommenheit eines Lebens Vollkommenheit macht.