7. Oktober 2013 von Manfred Rekowski
Bericht über Flüchtlinge in Lampedusa in der Zeitung „Die Zeit“
Die Bilder von der Insel Lampedusa werde ich nicht los: Die vielen Särge, die verstörten Überlebenden und die Fischer, denen Seenotrettung offenkundig verboten wurde.
Ich sah diese Bilder in den letzten Tagen und hörte die erschütternden Berichte:
Menschen fliehen. Sie fliehen vor Unrecht, Diskriminierung, bitterer Armut, Gewalt oder Terror. Sie fliehen, weil sie hoffen an einem anderen Ort überleben zu können. Das ist ihre Hoffnung: „… etwas Besseres als den Tod findest du überall …“.
Aber sie finden keinen sicheren Zufluchtsort. Sie finden unüberwindbare Grenzanlagen oder als letzten Ausweg Boote, die Zukunft verheißen, aber tatsächlich den Tod bringen. Vor Lampedusa starben jetzt vielleicht mehr als 300 Menschen.
Wenn solch ein Unglück passiert, schlägt die Stunde der Expertinnen und Experten in den Medien und der Politik. Wenn wir die Bilder von Tod und Elend sehen, wollen wir schnelle Lösungen. Am liebsten ganz pragmatische, die verhindern, dass sich solche sichtbaren Katastrophen wiederholen. Aber: Kaum jemand spricht über die Beseitigung von Fluchtursachen.
Beten und Tun des Gerechten ist angesagt, so hat Dietrich Bonhoeffer die Aufgabe der Kirche beschrieben. Dies führt mich persönlich zunächst ins Gebet. Am letzten Sonntag hörte ich in einem Gottesdienst ein Gebet, in dem ich mich innerlich wiedergefunden habe, und ich lade Sie ein, es mitzusprechen:
Gott, wir bitten für die Männer, Frauen und Kinder in vielen Ländern der Erde,
die in großer Angst von zuhause fliehen müssen, weil der Krieg ihre Heimat zerstört.
Du siehst ihre Not und Verzweiflung, wie sie um Hilfe bitten in den Nachbarländern,
wie sie in überfüllten Booten über das Meer kommen, wie sie Opfer einer gleichgültigen Asylpolitik werden.
Gott, wir bitten dich für die Menschen, die in unserem Land, in unserer Stadt, in unserer Nachbarschaft ankommen.
Du kennst ihre Ängste, wieder weggeschickt zu werden. Du teilst ihre Erfahrungen der Ablehnung, die sie hier machen müssen. Du siehst ihre Sehnsucht nach der Heimat und den Lieben dort.
Gott, wir bitten dich für die Menschen in unserem Land, die Angst vor den Fremden haben, die zu uns kommen. Wir bitten dich für die Politikerinnen und Politiker, die ihre Verantwortung in der Flüchtlingspolitik abgeben anstatt wahrzunehmen.
Wir bitten dich für uns, die wir uns zu oft in die Reihe der Gleichgültigen stellen. Wir bitten dich für unsere Kirche, dass sie sich stark macht für die Fremden. Gib uns den Glauben und die Kraft, Menschen als von dir geschickt anzunehmen, sie zu beherbergen, als ob sie Engel wären.
Wie sieht unser Handeln aus? Was ist das Tun des Gerechten angesichts des Flüchtlingselends? Wo fange ich damit an? Wo fangen Sie an? Was tun wir, gerade wenn die schnellen Lösungen eben nicht zielführend sind? Wir brauchen eine ehrliche Diskussion zur Flüchtlingspolitik. Dabei müssen wir auch die Fluchtursachen offen ansprechen. Beteiligen wir uns an dieser Debatte.
Von: Manfred Rekowski