Gute Nachricht ist nicht in Euro und Cent zählbar

7.8.2015

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Gespräche bei der Initiative Glaubensreich 7. August 2015 von Manfred Rekowski Es mag stimmen, was der Religionssoziologe Detlef Pollack gestern in der Süddeutschen Zeitung (Glaube an ein „höheres Wesen“) zu den ...

7. August 2015 von Manfred Rekowski

Es mag stimmen, was der Religionssoziologe Detlef Pollack gestern in der Süddeutschen Zeitung (Glaube an ein „höheres Wesen“) zu den Hintergründen von Kirchenaustritten schreibt: „Es kommt gar nicht so sehr darauf an, was die Kirchen tun, wie sie öffentlich präsent sind, was ihre Repräsentanten sagen. Die Zahl der Austritte macht sich meist an Faktoren fest, die gar nichts mit den Kirchen zu tun haben.“

Dennoch sind für mich Kirchenaustritte immer wieder ein Anlass, darüber nachzudenken, was uns als Kirche ausmacht, wofür wir stehen und wovon wir leben.

Mit meinem Blogbeitrag will ich zur Diskussion über die Frage anregen, wie wir in unserer Zeit und im Kontext unserer Gesellschaft Kirche der Reformation sein können, die darauf vertraut, dass Gott Menschen und Verhältnisse ändert. Über diese Frage wünsche ich mir leidenschaftlichere Diskussionen als die, die bisweilen über die Verwaltungsstrukturreform und über Organisationsoptimierungen geführt werden. Eine Kirche der Reformation, die natürlich reformbedürftig ist, muss bereit sein, unser Modell von Kirche infrage zu stellen. Keine Frage!

Natürlich kennt auch die Kirchenleitung die Grenzen und Schwächen mancher der in den letzten Jahren von der Landessynode beschlossenen Umbauprozesse. Ich selbst habe dies verschiedentlich öffentlich deutlich benannt (zum Beispiel in meinem Bericht vor der Landessynode 2014). In den Diskussionen (unter anderem in der Kirchenleitung und auf der Konferenz der Superintendentinnen und Superintendenten) befassen wir uns auch mit der Frage, wie wir zukünftig weniger kleinteilig regulieren. Dazu gehören auch Überlegungen zur systematischen Abschätzung möglicher Folgen von Beschlüssen und eine Bereinigung der bestehenden Gesetzessammlungen.

Nun wird niemand wegen einer gut organisierten Verwaltung in unserer Kirche eintreten. Und die Einführung eines neuen Finanzwesens löst auch keine Erweckungsbewegung aus. Überzeugen können wir nur mit unserer inhaltlichen Arbeit: Wir stehen Menschen bei und verbreiten die gute Nachricht, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt als das, was man in Euro und Cent zählen kann.

Aber es gehört zur Aufgabe der Leitung der Kirche – auf allen Ebenen -, Verwaltung effizient zu organisieren. Es gehört dann auch zur Wahrheit, dass Verwaltung kostet. Hier arbeiten Menschen, wir brauchen qualifizierte Mitarbeitende, und die Rahmenbedingungen müssen so ausgestattet sein, dass eine gute Leistung erbracht werden kann. Das hat seinen Preis.

Eine schlecht organisierte Verwaltung kostet übrigens – wie die Erfahrung zeigen – manchmal mehr als einem lieb sein kann: Da wurde dann auch schon einmal ein evangelischer Friedhof, ein kirchlich genutztes Gebäude oder eine diakonische Einrichtung zum Groschengrab – auch wenn es nicht bei Groschen geblieben ist.

Aber ich möchte nicht weiter über Verwaltung mit Ihnen reden, sondern vom Glauben erzählen. Kirche ist der Ort, wo Glaube erlebbar wird. Wenn Menschen merken, die „Sache mit Gott“ geht sie etwas an, dann wird Kirche der Ort, wo Menschen ihre Lebens- und Glaubensgeschichten miteinander teilen.

Ich lade Sie ein, davon zu erzählen, wie die „Sache mit Gott“ uns bewegt – denn das sind die Geschichten, die zum Glauben einladen.

Beiträge zu “Gute Nachricht ist nicht in Euro und Cent zählbar

  1. Das Problem der Strukturprozesse der vergangenen Jahre liegt nach meinem Empfinden darin, dass das theologische Gespräch darüber, was Kirche ist und wie Kirche in dieser Welt sein soll, jedenfalls für mich als Ehrenamtlichen in Gemeinden und Kirchenkreisen kaum mehr hörbar ist. Kirche muss gut organisiert und verwaltet sein, das ist keine Frage. Ob die Strukturprozesse dazu beitragen, kann man diskutieren. In erster Linie muss die Kirche sich aber mit ihren theologischen Inhalten und Standpunkten innerkirchlich und der Gesellschaft verständlich machen und mit dem Feuer des Glaubens dafür einstehen. Hier besteht aus meiner Sicht Verbesserungsbedarf.

  2. Lieber Präses Rekowski,

    dass unsere Kirche eine gut funktionierende Verwaltung braucht und dass wir Pfarrerinnenen und Pfarrer allen Grund haben, unseren Verwaltungsleuten, die einen hervorragenden Job machen, dankbar zu sein, steht außer Zweifel. Was dagegen zur Debatte steht, ist die Frage, ob die Verwaltung dienende oder herrschende Funktion hat, und ob es angemessen ist, wenn zusammenfusionierte Riesen-„Gemeinden“ bzw. solche Kirchengemeinden, die kaum noch mehr sind als Unterabteilungen ihrer Kirchenkreise sind, zu abstrakten, kaum greifbaren Gebilden ohne Wärme und Ausstrahlung werden, die sich nur noch mit einer immer komplexer werden Verwaltung steuern lassen. Man muss sich nur mal die Tagesordnungen von Presbyteriums-Sitzungen anschauen, die inzwischen 10-12 Seiten dick sind und längst in den Verwaltungsämtern erstellt werden. Die Presbyterien kommen kaum noch dazu, die Gemeinden wirklich zu leiten, weil sie in erster Linie damit beschäftigt sind, irgendwelche Verwaltungserfordernisse umzusetzen. Wer will denn da eigentlich noch Presbyterin oder Presbyter werden? – Was die Rheinische Kirche braucht, ist die mündige, freie, überschaubare und handlungsfähige Kirche vor Ort. – In diesem Zusammenhang verweise ich auf eine interessante Entwicklung aus dem katholischen Bereich, der ich auf dem Stuttgarter Kirchentag begegnet bin. Im Erzbistum Hildesheim wird – mit nachhaltiger Wirkung auch auf die evangelischen Bereich, also die hannoversche Landeskirche – ein Projekt durchgeführt unter dem Titel „Lokale Entwicklung“. Kern dieses Projekt ist die bewusste Wahrnehmung durch die Kirchenleitung (also durch den Bischof) dessen, was vor Ort geschieht, die kleinen christlichen Gemeinschaften, die Kirche vor Ort, das, was an der Basis wächst – um es dann ausdrücklich zu fördern und zu unterstützen. Das könnte auch was für das evangelische Rheinland sein.

  3. Lieber Herr Rekowski,

    Sie schreiben: „Mit meinem Blogbeitrag will ich zur Diskussion über die Frage anregen, wie wir in unserer Zeit und im Kontext unserer Gesellschaft Kirche der Reformation sein können, die darauf vertraut, dass Gott Menschen und Verhältnisse ändert. Über diese Frage wünsche ich mir leidenschaftlichere Diskussionen als die, die bisweilen über die Verwaltungsstrukturreform und über Organisationsoptimierungen geführt werden.“ Hiermit trennen Sie die Frage nach Identität und Auftrag der Kirche von der Frage nach ihrer äußeren Gestalt. Dies widerspricht dem Duktus von Barmen und damit den Grundartikeln unserer Kirchenordnung.

    Wenn wir darüber nachdenken und diskutieren wollen, „wie wir in unserer Zeit und im Kontext unserer Gesellschaft Kirche der Reformation sein können“, gehört die Bestandsaufnahme und somit auch die Wahrnehmung von Fehlentwicklungen dazu. Hier muss man mit aller Leidenschaft darauf hinweisen, dass die Frage, wie Kirche mit Geld umgeht und wie sie sich organisiert und verwaltet, theologische Relevanz besitzt. Zumindest zeichenhaft sollte die äußere Gestalt der Kirche auf das Evangelium hinweisen und hieraus das kritische Potential überhaupt erst entwickeln, in die Gesellschaft hineinzuwirken.

    Meine große Sorge ist, dass wir durch Fehlentwicklungen Ehrenamtliche wie auch Kirchenmitglieder verlieren. Es ist nicht gesund, wenn bei konformer Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform finanzschwache Kirchenkreise in eine Situation gedrängt werden, in denen es absehbar mehr als doppelt so viele Vollzeitstellen in der zentralen Verwaltung wie im Pfarrdienst geben wird. Es ist nicht hilfreich, wenn auf die Bitte nach größeren Spielräumen bei der Umsetzung dieser Umbauprojekte sich Mitglieder des Kollegiums hinter vormaljuristischen Barrikaden verschanzen. Die begrenzten finanziellen Ressourcen fließen in exzessiver Weise in den Aufbau von Organisation und Verwaltung zulasten dessen, was eine Kirche eigentlich ausmachen sollte: der Arbeit für die Menschen. Es schadet unserer Kirche, wenn auf Grund von NKF, Verwaltungsstrukturreform oder neuer IT-Struktur Stellen in der Jugendarbeit, der Kirchenmusik oder der Diakonie gestrichen werden.

    Gewiss, ich schildere die Situation, wie sie sich in eher finanzschwachen Regionen unserer Kirche darstellt. Von Ihnen und der Kirchenleitung insgesamt würde ich mir die Frage wünschen: Was braucht Ihr tatsächlich, damit sich Eure Arbeit vor Ort gedeihlich entwickeln kann?

  4. die vorstehenden drei Kommentare geben meinen Eindruck der fortschreitenden Bürokratisierung (Flut von Vorschriften, die allerdings Arbeitsplätze, wohl nicht an der richtigen Stelle schaffen, wieder, sagen aber nichts dazu, dass diese Prozesse, von den Abgeordneten der Gemeinden und Kirchenkreisen landessynodal beschlossen worden sind. Kann es sein, dass die Wahlprozesse von den Kreissynoden in die Landessynode überdacht werden müssen? Oder ist das beklagte Ergebnis doch die Mehrheitsmeinung, die nach meiner Beobachtung zunehmend gesellschaftlichen Trends, wie z.B. rechtliche Absicherung, eigennütziger Profit für die jeweilige Gemeinschaft ohne Rücksicht auf andere und Verbandsinteressen und vor allem im Wettbewerb Medienwirksamkeit („Wir sind der Superstar“) anzielt.

  5. Sehr geehrter Herr Präses,

    „Über diese Frage wünsche ich mir leidenschaftlichere Diskussionen als die, die bisweilen über die Verwaltungsstrukturreform und über Organisationsoptimierungen geführt werden.“

    Wollen Sie damit die Aussage von Herrn Dr. Gundlach, die Stuhlkreise in den Gemeinden seien überholt, in Frage stellen?

    Der Grundstein für die Fehlentwicklungen der letzten Jahre wurd im Juni/Juli 2006 mit 110 Seiten „Kirche der Freiheit“ gelegt.

    Im November 2013 wurde mir „Schwafelei“ vorgeworfen, als ich die „Zentralisation“ und „Entmachtung der Presbyterien“ thematisiert habe. Die Entwicklung hat mir leider recht gegeben. Die exorbitante Steigerung der Mitarbeiter in der Verwaltung und die ebenfalls exorbitante Kostenexplosion bei der Einführung des neuen Rechnungswesens sind leider kein Geschwafel. Und sie müssen thematisiert und diskutiert werden.

    Mit welchem Ergebnis? Tja, das ist eben die Frage.

    Wenn wir dahin kommen, dass z.B. die jährlichen Mehreinnahmen bei der Kirchensteuer nicht als Marginalie, sondern als Tatsache dargestellt werden und nicht wegen des Mitgliederschwundes (der aus den verschiedensten Gründen eben auch eine Tatsache ist) klein geredet werden, ist schon viel gewonnen.
    Wenn dann noch die Rücklagen nicht überdurchschnittlich hoch angelegt werden, könnten viele Vorbehalte ausgeräumt werden.

    Und dann könnten wir darüber reden was es ausmacht, dass der Herr unser Gott uns seinen Sohn gesandt hat, damit wir Seine Liebe erfahren. Jesus Christus hat Liebe nicht nur gepredigt, er hat sie gelebt. Und dem sollten wir nacheifern, so gut wir können.

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