8. Februar 2019 von Manfred Rekowski
Die Schriftstellerin Else Lasker-Schüler (1869 – 1945) Foto von 1932, digitale Kolorierung: epd-bild/akg-images
Sie war eine der bedeutendsten deutsch-jüdischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, wie der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, sie zutreffend einordnet. Sie war „Herz der Avantgarde“, wie es im Untertitel zum Jubiläumsprogramm für sie heißt; Josef Schuster ist dessen Schirmherr. Die Rede ist von Else Lasker-Schüler (1869-1945), der Dichterin, aber auch Zeichnerin, aus meiner Wahlheimat Wuppertal.
Diese Frau, Urenkelin eines Rabbiners, ist für mich ein großes Vorbild, was das Reden von Gott angeht, ohne das Geheimnis Gottes aufzulösen. Sie drückte sich natürlich nicht in der Sprache der Theologie aus, sondern in der Sprache, mit der Dichterinnen begabt sind: der Sprache der Lyrik. Sie hat zugleich offen und geheimnisvoll Glaube in Worte gefasst. Aus der Bibel schöpfte sie reichlich, tauchte ein in biblische Geschichten und Figuren. Wenn wir jetzt ihren 150. Geburtstag feiern, möchte ich darauf noch einmal hinweisen. Der Glaube an Gott, an die Harmonie zwischen Gott und Mensch, an die Versöhnung zwischen Judentum und Christentum – das ist ihr bleibendes Vermächtnis.
Dass sie diesen Glauben nicht verloren hat, ist beachtlich, wenn wir uns ihr Schicksal vor Augen führen. Else Lasker-Schüler gehört zu den Künstlerinnen und Künstlern, die vor den Nazis und dem Holocaust haben fliehen müssen. Antisemitismus hatte sie allerdings schon vorher erlebt, als Schülerin in Wuppertal. Dass sie sich ins Exil retten konnte, zunächst in die Schweiz, dann nach Palästina, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Leben bestimmt war von existenziellen Sorgen. Bis zu ihrem Tod 1945 in Jerusalem. Die großen Themen ihres dichterischen Werks kreisen um Erfahrungen von Flucht und Exil, um Verlust von Heimat, um Wert und Bedeutung von Muttersprache.
„Die Verscheuchte“ – so tituliert sich Else Lasker-Schüler in einem ihrer Gedichte, entstanden 1934 im Exil in Ascona. Ich zitiere die ersten beiden Strophen: „Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt, Entseelt begegnen alle Welten sich – Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild. Wie lange war kein Herz zu meinem mild… Die Welt erkaltete, der Mensch verblich. – Komm bete mit mir – denn Gott tröstet mich.“
Von: Manfred Rekowski