Was wir Fremden antun, das tun wir Jesus selbst an

28.8.2013

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28. August 2013 von Manfred Rekowski In den vergangenen Tagen sah ich wiederholt die Bilder aus Berlin-Hellersdorf. Sie zeigen die Auseinandersetzungen um ein von Flüchtlingen bewohntes ...

28. August 2013 von Manfred Rekowski

In den vergangenen Tagen sah ich wiederholt die Bilder aus Berlin-Hellersdorf. Sie zeigen die Auseinandersetzungen um ein von Flüchtlingen bewohntes Haus. Außerdem las ich Berichte über die Situation rund um ein überwiegend von Roma belegtes Haus in Duisburg-Rheinhausen. Mit großer Bestürzung sehe ich, dass Zuwanderer, Flüchtlinge und Asylsuchende zur Zielscheibe von Ablehnung, Hass und rassistischen Übergriffen werden. Ich nehme wahr, dass extremistische politische Kräfte in dieser Situation vorhandene Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung weiter anstacheln und missbrauchen. Ausländer werden pauschal für Missstände in manchen Stadtteilen verantwortlich gemacht. Mit großer Sorge verfolge ich, dass wir mancherorts durch Provokation und Gegenprovokation entgegengesetzter Kräfte in eine Spirale der Eskalation geraten.

Als Christinnen und Christen sind wir herausgefordert, allen Menschen, die von Rassismus und Gewalt bedroht sind, solidarisch beizustehen. Die Frage nach unserem Umgang mit Fremden führt mitten ins Zentrum des Glaubens. In jedem Menschen, gleichgültig welcher Hautfarbe, Kultur und Religionszugehörigkeit erkennen wir ein Geschöpf Gottes, dem in gleicher Weise Würde zukommt. An Jesus sehen wir, wie er die Grenzen der Kulturen sprengt und die offene Begegnung mit den anderen sucht, etwa in der Begegnung mit der Syrophönizierin (Mt 15,21-26 ). Für Jesus wird unser Verhalten gegenüber Fremden gar zum Kriterium für das Heil oder Unheil der Menschen. Was wir Fremden antun, das tun wir Jesus selbst an (Mt 25, 31-40).

Jesu Umgang mit Fremden wurzelt in den Erfahrungen des Gottesvolkes: „Ihr kennt die Seele des Fremden, wart ihr doch selber Fremde in Ägypten“, so heißt es einmal im 2. Buch Mose (2. Mose 23,9). Dieser Verweis auf das eigene Flüchtlingsdasein und die Erfahrung, dass Gott bei den Menschen ist und sie aus der Knechtschaft befreit, war die Grunderfahrung des Gottesvolkes mit Gott. Gott tritt an die Seite der ausgegrenzten Schwachen, Deklassierten und Rechtlosen und hat die besonders Schutzbedürftigen im Blick.

Von unserer christlichen Überzeugung her bitte ich alle Beteiligten der Auseinandersetzungen unserer Tage eindringlich, sich zu mäßigen und sich auf den Dialog zu besinnen und alle Anstrengungen zu unternehmen, die dem Miteinander von Einheimischen und Flüchtlingen dienen. Nur gemeinsam werden wir eine gute Zukunft haben. Als Kirche erinnern wir auch an die Verantwortung von Politik und Verwaltung. Es ist ihre Aufgabe, die Rahmenbedingungen für menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen und Integration zu fördern. Die jetzige Praxis der Verteilung führt oftmals zu sehr belastenden Situationen in den entsprechenden Stadtteilen. Ungelöste Probleme dürfen aber weder auf dem Rücken der Zuwanderer noch auf dem Rücken der Anwohner ausgetragen werden. Hier bedarf es der Zusammenarbeit aller verantwortlichen Ebenen von EU, Bund, Ländern und Kommunen, um die Erstaufnahme von Flüchtlingen so zu gestalten, dass deren Aufnahme von der Bevölkerung getragen wird. Es gilt außerdem, in den Heimatländern die Fluchtursachen in den Blick zu nehmen und nicht hier Flüchtlinge zu bekämpfen.

Ich danke allen, die sich innerhalb und außerhalb der Kirche für die Zuwanderer und Flüchtlinge einsetzen. Wir brauchen dieses Engagement. Ich ermutige alle Kirchengemeinden, aktiv zu einem guten Miteinander beizutragen. Schon jetzt gibt es gute Beispiele: Ich war vor einigen Wochen im Stadtteil Duisburg-Hochfeld zu Besuch. Dort leben inzwischen viele Menschen aus Bulgarien. Der Stadtteil verändert sich. Das ist nicht unproblematisch. Aber es gibt viele Einzelpersonen, Gruppen und Initiativen, die sich für das Zusammenleben einsetzen und in Starthilfe für die Neubürger und in Integrationsprojekte investieren. Wenn Sie gute Beispiele aus Ihrer Gemeinde oder Nachbarschaft kennen, würde ich mich freuen, wenn Sie davon auch über die Kommentarfunktionen hier im Blog berichten. Denn solche Beispiele machen Mut und zeigen, dass sich dieser Einsatz lohnt. Ich bin mir sicher, dass unsere Gesellschaft die nötige Kraft hat, Menschen, die aus katastrophalen Verhältnissen zu uns aufzubrechen, eine neue Heimat zu geben. Eine Heimat, in der sie nicht wieder die Erfahrung machen müssen, dass sie angefeindet und ausgestoßen werden, sondern in der sie erfahren, dass sie in ihrer Würde geachtet und als Mitmenschen willkommen sind.

Beiträge zu “Was wir Fremden antun, das tun wir Jesus selbst an

  1. Sehr geehrter Herr Präses Rekowski,
    die Bilder und Berichte, die Sie benennen, haben sicher viele Menschen in ähnlicher Weise berührt.
    Es sind ja nicht „die“ Ausländer oder „die“ Flüchtlinge. Es ist immer ein Augenpaar in das wir schauen können, das Geschichten einer Seele erzählt.
    Und das können Geschichten sein, die von Unmenschlichkeit, die unvorstellbar scheint, berichten.
    Jeder Einzelne von diesen Menschen kann für sich die Heimat suchen, die ein lebenswertes Leben in Würde ermöglicht. Manche von uns vermuten sie noch heute immer wieder auch bei der Kirche. Die Kirche, die mit Gott zu tun hat.
    Und dann soll man sich ja nicht darum sorgen, was man zu essen und zu trinken hätte und womit man sich kleiden würde…die Seelengeschichten, die ja zunächst einmal ein Potenzial sind, welchen Raum zur Entfaltung bekommen sie? Manche können gut erzählen, andere malen gerne, wiederum welche drücken in der Musik das aus, was „nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“ (V. Hugo), wollen für andere da sein und sie bewegen und begleiten.
    Diese Geschichten von der Suche nach der Heimat und der Ausdruck derer beunruhigen und stören, sie faszinieren und befremden. Sie sind authentisch. Es ist ein Potenzial. Ja, auch für Hassreaktionen, Gewalt, Isolation und Entwertung. Sie machen verletzbar.
    Die Fähigkeiten und Begabungen werden dann über Bord geworfen, um zu überleben und sich nicht darum zu sorgen, was man zu trinken und zu essen und womit man sich kleiden könnte…
    Die Frage bleibt: wer hat gemerkt, wann man Hunger hatte, Durst, krank war oder eine Form von Kleidung brauchte? Ist man dann zur Tat geschritten?
    Welche Bedürfnisebene eines Fremden hat eine Existenzberechtigung, insbesondere als eine Fremde? Und in welchen Strukturen hat sie eine neu gefundene Heimat? Heimat ist ein schwieriger Begriff. Man darf suchen.
    Ich tue es.

  2. Sehr geehrter Herr Präses Rekowski,
    ich finde, zu einem solchen Plädoyer, wie sie es halten, gehört immer auch die deutlich ausgesprochene Erwartung, dass die Menschen, denen wir vorübergehend oder dauerhaft Schutz gewähren, Achtung vor den Werten unseres Zusammenlebens (Pluralität, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit) zeigen und das Gastrecht nicht missbrauchen. Dies gilt natürlich für jeden einzelnen. Es gilt insbesondere aber für die jeweiligen Volksgruppen, die untereinander eine große Observanz kennen. Wir müssen erwarten können, dass es innerhalb von Familien, Clans und Ethnien zum Ehrenkodex gehört, dass sie sich in ihrer Gesamtheit (!) an die hier bestehenden Gesetze halten. Äußern wir diese Erwartung nicht, besteht die Gefahr, dass unsere gutgemeinten Worte dem Aufwachsen eines beachtlichen kriminellen Potentials Vorschub leisten.

    1. Lieber Herr Grimm,
      leider konnten wir Ihren Beitrag nicht freischalten. In diesem Blog wünschen wir uns Diskussion und Austausch, dies darf jedoch nicht auf Kosten anderer Menschen und Gruppen gehen.

      Wenn Sie Nachfragen haben, können Sie sich gerne an mich (auch per Email) wenden.
      Ralf Peter Reimann
      Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland
      reimann@ekir.de

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