29. Oktober 2015 von Barbara Rudolph
Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland bittet die Kirchengemeinden, ihr bis zum 30. September 2016 mitzuteilen, wie das Zusammenleben mit Muslimen in ihren Kommunen gestaltet ist. Dazu gehören auch die Erfahrungen, die sie mit Moscheegemeinden im gemeinsamen Engagement für eine menschenwürdige Gesellschaft vor Ort machen. Der als Arbeitshilfe angelegte Diskussionsimpuls „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ soll darüber hinaus in den Presbyterien und Kirchengemeinden das Gespräch über die theologischen Voraussetzungen christlich-muslimischer Begegnungen anregen. Dazu gibt sie Impulse und Denkanstöße.
Diese mit den Stichworten „Weggemeinschaft“, „Zeugnis“ und „Dialog“ umschriebene Spannbreite der Arbeitshilfe ist in den ersten Reaktionen auf die Frage der Mission verengt worden. Dem Diskussionspapier geht es jedoch über diese spezielle Frage hinaus um die theologisch begründeten Voraussetzungen für ein gelingendes Zusammenleben von Christen und Muslimen in der deutschen Gesellschaft. „Dazu soll in den kommenden Jahren eine vertiefte theologische Weiterarbeit in den Kirchengemeinden und in den unterschiedlichen kirchlichen Arbeitsfeldern zu einer größeren Klarheit und zu einer tragfähigen theologischen Positionierung führen“, schreibt Präses Manfred Rekowski im Vorwort der Arbeitshilfe. Der jetzt angestoßene Diskussionsprozess soll eine Positionierung der Landessynode im Jahr 2018 vorbereiten.
Die Diskussion ist also weit angelegt. Was aber derzeit über Reaktionen auf die Arbeitshilfe „Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen“ zu lesen ist, lässt den Schluss zu, dass zwar viel über sie geredet wird, aber kaum jemand einen sorgfältigen Blick hinein geworfen hat. Was sagt der als Diskussionspapier veröffentlichte Text nun zur Mission an Muslimen? Und was sagt er nicht?
- Die Arbeitshilfe sagt nicht: Die Mission unter Muslimen ist abgeschafft. Sie wendet sich allerdings gegen eine „strategische Mission“, die einen Menschen einzig als Gegenstand missionarischer Bekehrungsversuche betrachtet, ihn aber nicht in seiner ihm von Gott gegebenen Würde begegnet. Sehr wohl sind Christinnen und Christen aber aufgefordert, von ihrem Glauben an Jesus Christus in Wort und Tat selbstbewusst Zeugnis abzulegen – gerade auch gegenüber Muslimen. Zu den Voraussetzungen missionarischer Aktivitäten in einer Volkskirche hatte sich übrigens die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland bereits 2010 geäußert, als sie die Leitvorstellung „Missionarisch Volkskirche sein“ verabschiedete.
- Die Arbeitshilfe verwischt nicht die Unterschiede zwischen Christentum und Islam. Im Gegenteil: Wer seinen Glauben selbstbewusst lebt, klammert die Unterschiede zum anderen nicht aus. „Im theologischen Dialog mit dem Islam werden Unterschiede sichtbar, die nicht aufgelöst werden können“, sagt der Text und verweist etwa auf das trinitarische Gottesverständnis des christlichen Glaubens und die Bedeutung Jesu als Erlöser sowie auf das islamische Verständnis von Mohammed als „Siegel der Propheten“. Zugleich ruft die Arbeitshilfe dazu auf, diese Unterschiede für wechselseitige Lernerfahrungen fruchtbar zu machen. Denn „Mission“ meint im Diskussionspapier mehr als nur Worte zu machen, in ihr geht es um einen „Dialog des Lebens“.
- Die Arbeitshilfe sagt nicht: Es ist gleichgültig, ob jemand an Jesus Christus glaubt oder sein Heil an einer anderen Stelle sucht. Sie ermutigt Christinnen und Christen vielmehr, in Wort und Tat Zeugnis zu geben von dem Trost, den sie aus dem Evangelium erfahren und von der Hoffnung auf Gottes Verheißungen, von der sie leben.
- Die Arbeitshilfe spricht sich nicht gegen die Taufe von Muslimen aus. Sie formuliert stattdessen: „Die Lehre Jesu soll in der Welt, unter den Völkern, bekannt werden. Wer zum Glauben kommt, der soll getauft werden.“ Eine zwangsläufige Abfolge von Zeugnis und Taufhandlung kann die Arbeitshilfe dem so genannten „Missionsbefehl“ aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 28, 19, jedoch nicht entnehmen.
- Die Arbeitshilfe ersetzt nicht die Verkündigung Jesu durch ethisch begründete Taten. Beiden weist sie vielmehr den ihnen gemäßen Raum im Dialog mit den Muslimen zu. Angesichts der globalen Konflikte verweist die Arbeitshilfe Christinnen und Christen darauf, dass Muslime ebenfalls ihr Leben unter Gottes Barmherzigkeit stellen. Diese Tatsache wahrzunehmen, gleiche Glaubensüberzeugungen nicht an, sondern befreie zur gemeinsamen Verantwortung für diese Welt, zur missio dei, zur Mission Gottes für diese Welt. Die Arbeitshilfe nennt das „Weggenossenschaft“.
Von: Barbara Rudolph