27. Juni 2018 von Manfred Rekowski
Einem weltweitem Publikum wurde der amerikanische Bischof Michael Bruce Curry bekannt, als er bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle mitreißend und unkonventionell über Liebe und soziale Verantwortung predigte.
Diese Woche hat sich Bischof Curry wieder zu Wort gemeldet. Es geht diesmal nicht um ein royales Paar, sondern um Flüchtlinge. Öffentlich wendet er sich an seine Regierung und kritisiert die Härte in der amerikanischen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, die Kinder von ihren Eltern bei einem illegalen Grenzübertritt trennt. So schreibt Curry:
Die Rhetorik unserer Regierung, die „die anderen“ – in diesem Falle Familien, die Zuflucht suchen – als gefährlich und unmenschlich brandmarkt, verletzt unsere christliche Tradition. Selbstsucht ist Sünde. Wir verleugnen die Werte unseres Landes, wenn wir nur auf unsere eigenen Bedürfnisse sehen und diese über die Nöte aller anderen stellen, sogar über Gott. Amerikanische Bürger zu sein, macht uns nicht zu besseren Menschen als die Menschen auf der anderen Seite der Grenze.
Flucht und Migration betreffen nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern sind ein weltweites Problem und Aufgabe für uns alle. Das sieht auch Curry so, deshalb können wir seinen Appell auch auf uns beziehen.
Während Politikerinnen und Politiker in Europa die Verantwortung für Menschen, die an den Grenzen stranden, hin und her schieben und wir in Deutschland über Grenzsicherung mit vielen juristischen und technischen Details diskutieren – wann darf man wen wie kontrollieren und gegebenenfalls abweisen oder ist er bei der Grenzkontrolle schon als eingereist zu betrachten und daher nicht ab- sondern auszuweisen – stellt uns Curry in seiner direkten amerikanischen Art eine grundsätzliche Frage, die wir in der aktuellen politischen Auseinandersetzung auch in Deutschland und in Europa nicht vergessen dürfen:
Was ist der christliche Umgang mit Grenzsicherung? Stärke verlangt keine Grausamkeit. Tatsächlich reagiert man oft nur grausam aus einer Schwäche heraus. Jesus sagt es sehr deutlich, was wahre Stärke ist – nämlich dass sie immer von Liebe angetrieben ist. Es mag viele politische Lösungsvorschläge geben, aber die Perspektive, aus der wir sie alle betrachten, sollte diese sein: Behandelt dieser Politikansatz Menschen mit Liebe und liegt ihm Mitmenschlichkeit zugrunde? Ist die Antwort darauf nein, ist es keine christliche Lösung.
Und im Übrigen auch keine humane Lösung, wie sie unseren abendländischen Werten entspricht.
Seit 2015 sind tausende Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ertrunken. In diesen Tagen erleben wir schon wieder, dass Flüchtende in Seenot geraten und ertrinken. Jenen, die von Schiffen aufgegriffen und an Bord genommen werden, verwehren zahlreiche europäische Staaten Aufnahme und Sicherheit. Eine Europäische Union, die sich derart abschottet und Menschen in Todesgefahr die Hilfe verweigert, verrät die Liebe, für die das Christentum steht. Eine Europäische Union, die nicht in der Lage ist, Ressentiments und nationale Egoismen zu überwinden sowie Mitmenschlichkeit und Liebe zu üben, sollte den ihr im Jahr 2012 verliehenen Friedensnobelpreis zurückgeben.
Von: Manfred Rekowski